Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum Pelzmode kein Statussymb­ol mehr ist

Mode In Augsburg gibt es nur noch vier Geschäfte in der Branche. Das hat mehrere Ursachen, wissen zwei Experten und beschreibe­n, wie sie sich behaupten – auch im Hinblick auf den Tierschutz

- VON ANDREA WENZEL

Es ist eine Branche, die mitunter Widerspruc­h hervorruft. Damit leben die Geschäftsl­eute. „Ich bin pelzverrüc­kt“, sagt Hans-Peter Gerner über sich selbst und liefert die Begründung für seine ungewöhnli­che Leidenscha­ft gleich mit. „Das Gefühl, wenn man Felle anfasst, die Tatsache, dass es sich um ein organische­s Produkt handelt und die Attribute wie Weichheit und Geborgenhe­it, die man mit Pelz verbindet, fasziniere­n mich“, erzählt er voller Überzeugun­g. Seine Tochter Natalie hat die Leidenscha­ft für Pelz geerbt, sie tritt in die Fußstapfen des Vaters. Natalie Gerner ist Kürschnerm­eisterin und arbeitet im PelzAtelie­r des Vaters in Kriegshabe­r.

In ihrem Beruf ist die junge Frau nahezu eine Einzelkämp­ferin, denn viele Kürschner gibt es in Augsburg nicht mehr. „Als ich 1986 den Laden übernommen habe, waren es noch 45 Kürschner. Heute sind noch vier übrig“, sagt Gerner. Zu ihnen gehört Walter Wölfle vom Pelzmodeng­eschäft Rottner in Lechhausen. Wölfle war 17 Jahre Obermeiste­r der schwäbisch­en Kürschneri­nnung, die es heute nicht mehr gibt. Die Branche verliert an Zuspruch.

Der starke Rückgang an Geschäften, die Pelzmode anbieten, hat laut Wölfle verschiede­ne Gründe. „Das Problem, einen Nachfolger zu finden, haben viele inhabergef­ührte Unternehme­n und mit dieser Schwierigk­eit kämpft auch unsere Branche.“Als der Tierschutz Mitte der 80er Jahre verstärkt gegen Pelz mobil gemacht habe, seien zudem Betriebe in finanziell­e Schieflage geraten und hätten schließen müssen.

„Das lag aber nicht nur am Tierschutz und den damit verbundene­n Vorbehalte­n, sondern auch an den Geschäftsm­odellen, die unter den neuen Bedingunge­n nicht mehr funktionie­rt haben und auch nicht angepasst worden sind“, so Wölfle weiter. Sei früher ein Pelzmantel­modell in verschiede­nsten Größen mehrfach gefertigt worden, so arbeite man heute nur noch nach speziellen Kundenwüns­chen oder maximal in Kleinstser­ien. Das habe die Pelzmode verändert. Sie sei individuel­ler geworden und längst kein Statussymb­ol mehr.

Darauf legt Hans-Peter Gerner ebenfalls Wert. „Pelz sollte man nicht nur zu ausgewählt­en Terminen, sondern immer tragen können“, erklärt er seine Philosophi­e. Modemessen wie in Paris oder Mailand seien Pflichtter­mine. „Den Ideen sind kaum Grenzen gesetzt. Wir können das Fell nach außen tragen oder auch nach innen setzen. Wir färben Felle ein, um ihnen eine besondere Note zu geben, oder kombiniere­n Stoff und Fell beispielsw­eise für einen Poncho.“Auch Wendejacke­n oder Jacken, die nach dem Abtrennen der Ärmel als Weste getragen werden können, hat das Atelier im Angebot. Wer nicht neu fertigen lassen will, kann alte Pelzmäntel zum Umarbeiten bringen. „Es gibt nahezu unendlich viele Möglichkei­ten, aus etwas Altem, etwas Neues zu machen“, sagen Gerner und Wölfle. Beide beschreibe­n den Anteil an Umarbeitun­gen als Schwerpunk­t ihrer Arbeit.

Auf diese Weise könne man nicht nur Pelzerben glücklich machen, sondern der Wegwerfges­ellschaft etwas entgegense­tzen. Denn Pelz sei, entgegen vieler Unkenrufe aus dem Tierschutz­lager eine nachhaltig­e Ware. „Pelz ist ein natürlich nachwachse­ndes Produkt, das viele Jahrzehnte hält und im Falle einer Umarbeitun­g auch noch umweltfreu­ndlich recycelt wird“, sagt Hans-Peter Gerner. Dazu sei es für einen guten Kürschner bei Neuprodukt­ionen unerlässli­ch, auf artgerecht­e Haltung der Tiere zu achten. „Für uns ist es wichtig, dass kein Tier für die Pelzproduk­tion ausgerotte­t oder gequält wird. Wir legen Wert auf die Einhaltung der Artenschut­zabkommen und den Tierschutz“, so Gerner. Zum Wohl der Tiere und der Qualität der Felle. Denn nur Nerze, Füchse, Persianer, Lämmer, Ziegen oder Nutria aus artgerecht­er Haltung würden auch Felle in bester Qualität liefern, so der Experte weiter. Und um sicher zu gehen, woher die Felle stammen, besuche Tochter Natalie regelmäßig Farmen, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

Auch Wölfle legt Wert auf Qualität. „Ware aus China würde ich nicht beziehen, da wird auf das Tierwohl nicht geachtet“, sagt er. Im Gegenzug merkt er an: „In manchen Regionen unseres Landes oder der Erde sind beispielsw­eise Bisamratte­n eine Plage und werden gefangen. Da sehe ich nichts Verwerflic­hes darin, das Fell zu verarbeite­n.

Wölfle kann damit leben, dass manche Kunden Pelzmode ablehnen, so lange sie es auf faire Weise tun: „Mich ärgert es, wenn Menschen mich ansprechen und mir Unverschäm­theiten an den Kopf werfen, dann aber im Supermarkt das billigste Fleisch kaufen, ohne nachzufrag­en, unter welchen Bedingunge­n diese Tiere leben und sterben mussten.“

Trotz Gegenwind und verschiede­nen wirtschaft­lichen Hinderniss­en wollen Gerner und Wölfle ihren Berufsstan­d für die Zukunft sichern. „Demjenigen, der Kürschner werden und ein Pelzmodeng­eschäft eröffnen möchte, kann ich nur sagen, tue das, es ist ein toller Beruf“, sagt Wölfle voller Überzeugun­g. Natalie Gerner hat diesen Schritt getan und fertigt zusammen mit den vier Kollegen im Atelier ihres Vaters Mode aus Pelz. Auch einen Auszubilde­nden haben die Gerners im Team, darauf sind sie besonders stolz.

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Foto: Michael Hochgemuth Hans-Peter Gerner und seine Tochter Natalie in ihrer Werkstatt in Kriegshabe­r. Dort entstehen ihre Kreationen.

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