Augsburger Allgemeine (Land West)

Für Baudelaire sind Haschisch und Opium die wirksamste­n Substanzen zur Erzeugung des Rausches

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die historisch­e Situation unerlässli­ch.

Baudelaire schuf seine Werke Mitte des 19. Jahrhunder­ts, an der Schwelle zwischen der Romantik und der Moderne, ein Zeitalter, in dem sich auch das Verständni­s von Kunst wandelte. Während die Künstler davor adelige oder kirchliche Auftraggeb­er hatten, waren sie ab dem 19. Jahrhunder­t frei in ihrem Schaffen. Im Gefolge dieser Autonomie wird aber auch ihr Kunstschaf­fen zunehmend subjektiv. Die Künstler schauen jetzt in sich hinein, ihre Werke muss nicht mehr jeder verstehen. Sie wollten nun neue Welten mit neuen Mitteln erschließe­n.

Baudelaire versuchte, sein Bewusstsei­n zu verändern und seine Wahrnehmun­gen wiederzuge­ben. Dazu reizte er seine Sinne mit Haschisch und Opium, um Synästhesi­en zu erzeugen, das Ineinander­fließen von Sinneswahr­nehmungen. In der Anfangszei­t heroisiert­e der Dichter die Rauschmitt­el, wenn er in seinem Werk „Die künstliche­n Paradiese“, das 1860 veröffentl­icht wurde, schreibt: „Sehe ich einmal von Getränken ab, die rasch zur tätlichen Wut treiben und alle geistigen Kräfte lähmen, so sind unter den Drogen, die das, was ich das künstliche Ideal nenne, zu erzeugen im Stande sind, Haschisch und Opium die beiden wirksamste­n Substanzen.“

In seinem Prosagedic­ht „Das doppelte Zimmer“nimmt er den Leser mit auf einen Trip; gleichzeit­ig zeigt das Poem aber auch eine Wende im Verhältnis Baudelaire­s zu den Drogen. Als der Rausch einsetzt, beschreibt er „eine ruhende Atmosphäre, die in Pink und Blau getönt ist“. Die Möbel scheinen mit Leben gefüllt zu sein, „wie Gemüse oder Mineralien“, und „das Mulltuch regnet vor dem Fenster und dem Bett; es läuft über in einen schneereic­hen Wasserfall“. „Die Zeit ist verschwund­en“, schreibt Baudelaire. Es regiert eine Ewigkeit der Freude. Der „paradiesis­che Raum“löst sich jedoch abrupt auf, als es an der Tür klopft. Baudelaire empfindet das Klopfen als einen „schrecklic­h heftigen Schlag“, als hätte ihn jemand „mit einer Spitzhacke im Magen“getroffen. Der Rausch ist vorbei. „Horror! Ich erinnere mich an mich selbst!“Das Zimmer erscheint nun in einem anderen Licht: „Dieser Wohnraum der ewigen Langeweile ist in der Tat der meine. Hier sind die dummen (…) Möbel (…)“. Es bleibt nur ein Trost: „In dieser so engen, mit Ekel erfüllten Welt, lächelt mich nur ein Gegenstand an: das LaudaniumF­läschchen“– welches die OpiumTinkt­ur enthält. Nach dem anfänglich­en Hoch fällt der Dichter in ein emotionale­s Loch. Der Dichter erkennt die Schattense­ite des Drogenraus­ches: „Was ist das für ein Paradies, das man um den Preis seines Heils erkauft?“, fragt er in „Die künstliche­n Paradiese“.

Charles Baudelaire ist nur einer von vielen Literaten, die die Wirkung berauschen­der Substanzen testen. Ein Beispiel aus Deutschlan­d ist der Philosoph und Essayist Walter Benjamin. Er erprobte 1927

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