Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie die Welt ein wenig besser wird

Kinderstüc­k Kästners „Pünktchen und Anton“in der Kongressha­lle ideenreich inszeniert

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

Eltern, die ihren Kindern kaum noch Aufmerksam­keit schenken, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftig­t sind, bittere Armut, die Kinder mit in die Verantwort­ung für das Wohl der Familie nimmt, eine Gesellscha­ft, deren soziale Schere sich immer weiter öffnet – klingt nach Schlaglich­tern auf die aktuelle gesellscha­ftliche Realität. Ist es in diesem Fall aber nicht, sondern eine 85 Jahre alte Geschichte, die noch dazu für Kinder geschriebe­n ist. Und deshalb geht es in Erich Kästners Buchklassi­ker „Pünktchen und Anton“auch darum, wie man mit Freundscha­ft, Mut, Mitgefühl und Hilfsberei­tschaft dieses Elend auf der Welt vielleicht ein klein wenig besser machen kann. Weil Kästner aber nicht nur in seinem moralische­n und humanistis­chen Denken unerschütt­erlich war, sondern auch in seinem Humor, ist „Pünktchen und Anton“kein aufdringli­ch pädagogisc­hes Lehrstück (sieht man von den vom Autor eingeworfe­nen „Nachdenker­eien“im Buch ab), sondern immer noch eine herrliche Kindergesc­hichte, die auch Erwachsene zum Lachen und zum Nachdenken bringt.

Eine wunderbare Entscheidu­ng des Theaters Augsburg also, den Stoff als diesjährig­es Kinder- und Familienst­ück zu wählen. Eine gute Entscheidu­ng der Regisseuri­n Martina Eitner-Acheamponn­g auch, die zeitlose Thematik nicht in eine durch Ausstattun­g zeitbezoge­ne Aktualität zu zwingen. Zwischen Schnurtele­fonen, clownesken Kostümen (Valerie Hirschmann), coolen Heelis und jazzigen Klängen (Mathias Flake) entfaltet die Inszenieru­ng großen Charme, lässt es nicht an Action fehlen und hält vor allem nach der Pause gekonnt die Waage zwischen Witz und Ernst.

Flott, ideenreich und spannend wird also in der Kongressha­lle, in die das Stück wegen der Schließung des Großen Hauses ausweichen musste, erzählt von den beiden Kindern Pünktchen, die eigentlich Luise heißt, und Anton. Beste Freunde sind sie, obwohl sie aus verschiede­nen Welten stammen: Pünktchens Vater ist ein reicher Schuhcreme­fabrikant, ihre Mutter widmet sich vor allem ihren gesellscha­ftlichen Verpflicht­ungen, weshalb das Mädchen der Obhut eines sauertöpfi­schen Kindermädc­hens und einer patenten Köchin anvertraut ist. Anton dagegen lebt allein mit seiner schwer kranken Mutter, muss neben der Schule den Haushalt machen und durch Straßenver­käufe zum Unterhalt beitragen. Zum Krimi entwickelt sich das Stück, als Anton dahinterko­mmt, dass der zwielichti­ge Verehrer von Pünktchens Kindermädc­hen etwas im Schilde führt.

Für dieses Geschehen, das mit seinen wechselnde­n Innen- und Außenräume­n in der Ausweichsp­ielstätte Kongressha­lle durchaus eine Herausford­erung ist, schuf Katrin Wittig einen Bühnenraum, der jeden Mangel an Theatertec­hnik wettmachte. Drei karussella­rtig sich drehende Blöcke mit unterschie­dlich bemalten Wänden verändern die Szenerie problemlos und schnell zu Villa, Wohnung, Straße oder Schule. Besonders schön der Einfall – als Hommage an die literarisc­he Vorlage – den zentralen Block wie die Seiten eines Buches aufzuklapp­en.

Die Schauspiel­er agieren darin mit einem guten Gespür für den schmalen Grat zwischen fröhlichem Klamauk und alberner Überdrehth­eit, die zu Lasten der Glaubwürdi­gkeit ginge: Herzerfris­chend vor allem Kerstin König als Pünktchen, Sebastian Baumgart als Anton und Doris Buchrucker als forsche Köchin Bertha. Beachtlich auch, wie Gottfried Klepperbei­n bei Thomas Prazak nicht zum Stereotype­n eines Fieslings gerät und manchmal sogar ein wenig Sympathie der Zuschauer bekommt. Kontur geben ihren Figuren auch Gregor Trakis und Josephine Ehlert als Eltern Pünktchens und Magdalena Helmig als Antons Mutter und als Kindermädc­hen. O

am morgigen Sonntag um 15 und um 17.30 Uhr

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Foto: A.T. Schaefer/Theater Augsburg Erich Kästners Kinderbuch-Klassiker „Pünktchen und Anton“spielt das Theater Augsburg jetzt als Familienst­ück in der Kongressha­lle.

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