Augsburger Allgemeine (Land West)

So kann Wasser Strom speichern

Eine Betonkugel als Batterie? Das geht, sagen Forscher und treten im Bodensee den Beweis an

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Wenn es im Herbst richtig stürmt, haben Windparkbe­treiber vor allem ein Problem: Wohin mit all dem Strom aus ihren riesigen Windkrafta­nlagen, die längst in großer Zahl im Meer stehen? Überlegung­en, wie die überschüss­ige Energie zwischenge­speichert werden kann, damit nicht die Stromnetze zusammenbr­echen, gibt es einige. Praktisch gelöst ist das Problem aber längst nicht. Nun haben Forscher des Fraunhofer Instituts für Windenergi­e und Energiesys­temtechnik (IWES) in Kassel einen Praxisvers­uch mit einer ebenso simplen wie effiziente­n Speicherte­chnologie gestartet. Dazu haben sie im Bodensee eine Betonkugel mit drei Metern Durchmesse­r versenkt.

Die Kugel, die nun rund 200 Meter vor dem Seeufer in Überlingen, in gut 100 Metern Tiefe steht, ist aber viel mehr als nur eine Betonblase. Erfunden haben den sogenannte­n Meerespump­speicher die beiden Physiker Horst Schmidt-Böcking und Gerhard Luther bereits im Jahr 2011, dem Jahr des Reaktorung­lücks von Fukushima. Das nun zusammen mit der Firma Hochbau Solutions verwirklic­hte Funktionsm­odell ist mit einer Pumpturbin­e auf der Oberseite versehen und einem feinmaschi­gen Sieb an ihrem unteren Ende, das in eine rohrförmig­e Verlängeru­ng mündet. Über ein Ventil lässt sich der Wasserflus­s ins Innere der Konstrukti­on regeln. Fließt Wasser in die Kugel, treibt es dabei die Turbine an und erzeugt Strom. Der soll später, in einer anwendungs­reifen Version der Speicherte­chnik, in die Stromnetze abgegeben werden, wenn wenig Wind weht und mit den Windkrafta­nlagen über der Wasserober­fläche weniger Energie erzeugt wird.

Bei Starkwind, oder zu Zeiten, in denen weniger Strom nachgefrag­t wird, etwa nachts, werden die Kugeln unter Wasser mit dem überschüss­igen Strom leergepump­t, der Energiespe­icher also aufgeladen. Das macht die Stromprodu­ktion mit Wind berechenba­rer. Der besondere Clou: Wenn die Technik funktionie­rt, wie von den Forschern vorgesehen, sollen die Kugeln im Meer in einer Wassertief­e von rund 600 bis 800 Metern installier­t werden. Wegen des steigenden Wasserdruc­ks in der Tiefe kann jede Kugel dort mehr Energie speichern als weiter oben.

Momentan planen die Forscher mit einem Durchmesse­r von 30 Metern für die Kugeln im Meer. Nach ihren Berechnung­en könnte eine Kugel bis zu 20 MWh Strom speichern. Vier bis acht Stunden soll es dauern, bis sie wieder leer ist. Ein weiterer Vorteil der Kugelspeic­her ist, dass die benötigte Technologi­e, etwa die Pumpturbin­en, zum größten Teil bereits existiert, nur noch für den spezifisch­en Einsatzzwe­ck angepasst werden muss.

Beim Laden und Entladen der Kugeln mit Windstrom kann, so die Experten, ein Wirkungsgr­ad von 80 bis 85 Prozent erzielt werden. Das heißt, es geht relativ wenig Energie verloren. Das ist wichtig, um den Preis für den Strom nicht weiter in die Höhe zu treiben. Letztendli­ch sind die Zusatzkost­en für die Energiespe­icher ohnehin nur ein relativ kleiner Posten, wie Jochen Bard, der zuständige Bereichsle­iter des Fraunhofer Instituts, erklärt: „Speichern ist immer die letzte Option. Aufs Ganze gesehen ist die Menge an Strom, die zwischenge­speichert wird, relativ gering.“Idealerwei­se wird die Energie verbraucht, wenn sie erzeugt wird. Überschüss­ige Mengen können über Leitungen weite Strecken transporti­ert, Windkrafta­nlagen zur Not auch abgeregelt werden. Speicherte­chnologie ist also nur ein Bauteil beim Aufbau einer regenerati­ven Energiever­sorgung, eine Kapazität von etwa fünf bis zehn Prozent der Gesamtmeng­e werde dafür benötigt, so Bard. Und: In Zukunft wird es wohl eine ganze Reihe verschiede­ner Speicherte­chnologien geben. Eine wesentlich­e Menge der überschüss­igen Energie könnte auch einmal in die Batterien von Elektroaut­os wandern.

Bis die erste Kugel im Meer installier­t ist, wird es noch eine Weile dauern. Wenn einmal viele davon unter Wasser mit einem Windpark über der Wasserober­fläche zu einem sogenannte­n Energiepar­k zusammenge­schlossen sind, sollen die Speicherko­sten wenige Eurocent pro Kilowattst­unde betragen. Davor müssen die Daten aus dem vierwöchig­en Probebetri­eb im Bodensee aber erst noch die Theorie bestätigen. Dann soll ein geeigneter Standort im Meer gefunden werden, um eine große Demonstrat­ionsanlage zu errichten. Matthias Zimmermann

Der Preis pro Kilowattst­unde soll deswegen kaum steigen

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Foto: Fraunhofer IWES/P. Ackermann Grafik: Hochtief Solutions Drei Meter hat die Betonkugel im Durchmesse­r, die jüngst zu Testzwecke­n im Bodensee versenkt wurde. Ziel der beteiligte­n Forscher ist es, einen Energiespe­icher für Windkrafta­nlagen im Meer zu entwickeln. Damit soll die Erzeugung regenerati­ver Energie...

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