Augsburger Allgemeine (Land West)
Establishment
Wo die Populisten dieser Welt Konjunktur haben, da haben auch zwei Begriffe Konjunktur, die aufgestiegen sind fast zu den Schimpfwörtern des Jahres 2016: Establishment und Elite.
Kein Tag vergeht, an dem nicht von vorgeblich oder tatsächlich Unterprivilegierten auf die Arrivierten, auf die Gesamtheit derer, die „da oben“entscheiden, attackierend gezeigt wird. Denn auch das hat Konjunktur: das klare, das einfache, das undifferenzierte, das simple Weltbild. Die unten, die oben.
Kein Wort davon, dass das Establishment und die Elite hie und da in der Lage war und ist, für die Interessen der Unterprivilegierten einzutreten und Schaden von ihnen abzuwenden. Kein Wort davon, dass die Redlichen im Establishment diese Lage genau dafür auch nutzten und nutzen. Und erst recht kein Wort davon, dass der volksaufwiegelnde Angriff auf das sogenannte Establishment vor allem dem Zwecke dient, dorthin vorzustoßen, wo die Macht sitzt.
Eben hat dieser Mechanismus mal wieder glänzend funktioniert: In den USA ist ein vollkommen Unetablierter ganz nach oben gespült worden – und nun setzt er andere vollkommen Unetablierte ins Amt, auf dass das Land blühe.
Jetzt endlich kehrt sich alles um, und lauter Abgehängte entscheiden über die Politik für die anderen Abgehängten. Ein kolossaler Umsturz. Was unten war, ist oben.
Wie locker ging doch einst die deutsche 68er-Bewegung, die ebenfalls Kenntnis vom erwähnten Mechanismus hatte, dann aber doch auch durch die Institutionen marschierte, mit dem Begriff des Establishments um! Nicht ohne Ironie gegenüber der eigenen Überzeugung – allerdings auch mit einem Schuss Sexismus – postulierte sie: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“