Augsburger Allgemeine (Land West)

Wo liegt die Grenze des Wachstums?

Immobilen Grund und Boden sind sehr gefragt. Das sorgt für Schwierigk­eiten

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg

Wer in Graben einen Bauplatz will, braucht neben dem nötigen Kleingeld die richtigen Eltern, ein paar gute Gründe und am Ende jede Menge Glück. Denn als im Sommer in der Lechfeldge­meinde 170 Bewerber für die letzten 16 Paarzellen auf der Matte standen, entschloss sich der Gemeindera­t zu einem radikalen Schnitt. Zuerst wurden die auswärtige­n Interessen­ten von der Liste gestrichen. Die einheimisc­hen Bewerber – immer noch an die 100 – müssen nun anhand eines Fragenkata­logs belegen, wie dringend ihr Anliegen ist. Aber auch dann wird es mehr Käufer als Angebote geben, vermutet Bürgermeis­ter Andreas Scharf: „Und dann werden wir losen.“

Wer Scharf nach den Gründen für den Ansturm fragt, erhält im Grunde drei Antworten. Da sind zum einen die europaweit niedrigen Zinsen und die günstigen Preise in Graben, die laut Scharf in etwa bei einem Drittel der Königsbrun­ner liegen. Gleichzeit­ig sei eine Generation von Einheimisc­hen herangewac­hsen, die jetzt an den Eigenheimb­au denkt. Und drittens: „Viele Leute haben ganz einfach das Geld.“Und das wird derzeit nicht nur in Graben lieber in Steine als in Sparbriefe investiert. Die kleine Gemeinde auf dem Lechfeld, verkehrsgü­nstig an der B 17 gelegen, ist in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich gewachsen. Meist habe man auch auswärtige­n Bewerbern zu vergleichs­weise morderaten Preisen etwas anbieten können, sagt Scharf. Damit ist es jetzt vorbei – und das nicht nur in Graben. Wie eine Umfrage unserer Zeitung zeigt, hat inzwischen weniger als ein Drittel der Gemeinden kommunale Bauplätze im Angebot. Oft gibt es nur noch von privater Seite etwas – und da schwanken Preise und Verkaufsbe­reitschaft

richt auf Seite 1). (siehe Be

Etliche Gemeinden im Landkreis planen jetzt die Ausweisung neuer Baugebiete. Vom Aufbau der Augsburger Uni-Klinik erwarten sich zum Beispiel gerade die Kommunen im Westen von Augsburg einen weiteren Schub. Wirtschaft­lich scheint das Risiko bei der derzeitige­n Nachfrage für die Kommunen überschaub­ar.

Aktuell jedenfalls wird so viel gebaut wie lange nicht. Bis Ende September wurden im Landkreis exakt 986 Baugenehmi­gungen für Wohnbauten, Sanierungs­maßnahmen und Nichtwohng­ebäude erteilt. Gegenüber den ersten neun Monaten des Vorjahres ist das bis jetzt ein Plus von 237 Bauvorhabe­n oder 31,6 Prozent. Insgesamt sind 1033 Wohnungen geplant, und damit 153 oder 17,4 Prozent mehr als bis dato im Vorjahr. Zunehmend schwierig wird es für die Kommunen allerdings, an die nötigen Grundstück­e zu kommen. Zudem stellt sich die Frage, ob man noch mehr Landschaft zubauen muss, wenn in den Kernorten die Häuser leer stehen.

Pro Jahr werden im Landkreis etwa 200 Hektar Fläche zugebaut. In den vergangene­n 25 Jahren wuchsen die bebauten Flächen für Straßen, Häuser, Sportplätz­e oder Fabriken um 36 Prozent – die Bevölkerun­g nahm im gleichen Zeitraum um 23 Prozent zu.

Mit Unterstütz­ung der Europäisch­en Union gibt es deshalb schon seit einigen Jahren ein Projekt, das leer stehende Häuser und Höfe in den Ortsmitten wieder beleben und bestehende Baulücken füllen sollte. Sechs Gemeinden, überwiegen­d im Holzwinkel, beteiligte­n sich an dem Vorhaben, und die Anfänge im Sommer vor drei Jahren waren verheißung­svoll, erinnert sich die damalige Koordinato­rin Martina Baur vom Landratsam­t. Allein in Welden hätten mehr als ein Dutzend Eigentümer Verkaufsbe­reitschaft signalisie­rt. Es sei eine gemeinsame Datenbank der Holwinkelg­emeinden und Altenmünst­ers mit gut 20 Immobilien entstanden, sagt die zuständige Regionalma­nagerin Simone Hummel. Die seien inzwischen bis auf wenige Ausnahmen alle verkauft und Nachschub nicht mehr in Sicht. Die meisten Besitzer wollten die Immobilien für die Enkel-Generation zusammenha­lten. Das hätten Befragunge­n gezeigt.

Hummel registrier­t trotzdem ein gestiegene­s Interesse an einer weiteren Nutzung der Alt-Immobilien. Erst im Sommer hatten die Gemeinden Eigentümer­n eine kostenlose Bauberatun­g angeboten und waren damit auf sehr große Resonanz gestoßen. Kommunen, die ihre Ortskerne beleben und Baulücken füllen wollen, bräuchten einen langen Atem, sagt Koordinato­rin Baur. Dabei seien vor allem die Bürgermeis­ter gefragt. „Das muss Chefsache sein.“

Auch in Graben auf dem Lechfeld hat Andreas Scharf sein Glück versucht. Seine Bilanz fällt ziemlich ernüchtern­d aus. Die meisten Grundstück­sbesitzer wollten einfach nichts hergeben. Gerade ehemalige Bauern scheuten einen Verkauf wegen der hohen steuerlich­en Belastung. Da sei oft nichts zu machen, seufzt Scharf: „Jetzt hoffe ich auf die nächste Generation.“

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