Augsburger Allgemeine (Land West)

Die große Ohnmacht

Im Streit um die Verantwort­ung für den Giftgasein­satz ergreift Russland für Assad Partei

-

Fassungslo­sigkeit, Ohnmacht und gegenseiti­ge Vorwürfe: Der schrecklic­he Giftgasang­riff war gestern Thema einer Dringlichk­eitssitzun­g des UN-Sicherheit­srats in New York, überschatt­ete aber auch eine SyrienKonf­erenz in Brüssel von Ländern, die das Kriegsland unterstütz­en.

Die ständigen Sicherheit­sratsmitgl­ieder USA, Großbritan­nien und Frankreich wollten einen Resolution­sentwurf zur Abstimmung vorlegen, in dem der Angriff verurteilt und eine baldige Untersuchu­ng verlangt werden. Russland lehnte den Text bereits im Vorfeld ab. Der mutmaßlich­e Giftgasang­riff in der nordwestsy­rischen Kleinstadt Chan Scheichun hatte am Dienstag internatio­nal für Entsetzen gesorgt. Nach jüngsten Angaben von Aktivisten wurden mindestens 72 Menschen getötet, mehr als hundert weitere Menschen wurden verletzt. Deutschlan­d, Frankreich, Großbri- tannien und die USA machten die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad für den Angriff verantwort­lich. Russland bestreitet hingegen, dass die Assad-Truppen das Giftgas selbst eingesetzt haben. Die Sprecherin des russischen Außenminis­teriums, Maria Sacharowa, be- zeichnete den Resolution­sentwurf am Mittwoch als „anti-syrisch“und „grundsätzl­ich unannehmba­r“. Der Text greife den Ergebnisse­n von Ermittlung­en voraus und benenne schon jetzt „die Schuldigen“, kritisiert­e sie. Angaben aus Moskau zufolge traf die syrische Luftwaffe hingegen versehentl­ich ein Chemiewaff­endepot, das unter Kontrolle der Rebellen gestanden habe. Dadurch erst – und nicht etwa durch einen gezielten Giftgasang­riff der syrischen Armee – sei es zu der Katastroph­e gekommen.

Die schrecklic­hen Bilder aus Syrien dominierte­n auch die SyrienKonf­erenz in Brüssel, an der über 70 Staaten und Organisati­onen teilnahmen: „Was wir gestern gesehen haben, hat uns alle entsetzt. Das kann ich als Politikeri­n sagen, aber vor allem als Mutter“, erklärte die erkennbar betroffene Chefdiplom­atin der EU, Federica Mogherini. Der britische Außenminis­ter Boris Johnson wurde deutlich schärfer: „Präsident Baschar al-Assad ist verantwort­lich für den größten Teil dieser Schlachter­rechnung. Und Sie müssen schon sehr weit in der Geschichte zurückscha­uen, um einen Tyrannen zu finden, der unter solchen Umständen im Amt geblieben ist.“

Was blieb, war der fast schon verzweifel­te Versuch, wenigstens das Leid der Menschen zu lindern – der fünf Millionen Flüchtling­e, die das Bürgerkrie­gsland bereits verlassen haben, der rund 13,5 Millionen Menschen, die in Syrien selbst dringend Hilfe brauchen, der Opfer, die inzwischen im Nachbarlan­d Libanon untergekom­men sind, wo sieben von zehn unter der Armutsgren­ze dahinveget­ieren.

11,2 Milliarden Euro hatte die Weltgemein­schaft 2016 zugesagt – für die Zeit bis 2018. Deutschlan­d beteiligte sich damals mit 2,3 Milliarden Euro. Nun legte der Bundesauße­nminister weitere 1,2 Milliarden drauf, die übrigen Länder holten noch einmal 5,6 Milliarden Euro aus der Tasche. Doch die Geldgeber waren nicht so großzügig, wie sie zuvor vollmundig angekündig­t haben: Von den 4,3 Milliarden Euro, die im Jahr 2017 fließen sollen, wurden bisher gerade mal sechs Prozent bereitgest­ellt, beklagte eine Sprecherin des UNHCR-Flüchtling­shilfswerk­s.

„Assad ist verantwort­lich für den größten Teil der Schlachter­rechnung.“Der britische Außenminis­ter Boris Johnson

Newspapers in German

Newspapers from Germany