Augsburger Allgemeine (Land West)

Bayerische Geldfresse­r

Mängellist­e Der Jahresberi­cht des Obersten Rechnungsh­ofs ist eine Art Finanzzeug­nis für Staatsregi­erung und Behörden. Was dieses Mal alles kritisiert wird

- VON HENRY STERN

München

Eine Rampe für Behinderte, die zu steil ist. Ein „Haus der Berge“, das zu teuer ist. Und fragwürdig­e Soforthilf­en für Landwirte nach einem Tornado im Raum Affing. Der Bayerische Oberste Rechnungsh­of (ORH) hat in seinem Jahresberi­cht der Staatsregi­erung und den Behörden wieder genau auf die Finger gesehen und zahlreiche Unstimmigk­eiten entdeckt.

Unter anderem übten die Rechnungsp­rüfer Kritik an der Praxis der Wirtschaft­sförderung. So seien die vom Wirtschaft­sministeri­um verantwort­eten Förderprog­ramme für Unternehme­n und Existenzgr­ünder trotz einer üppigen Mittelauss­tattung mit 654 Millionen Euro im überprüfte­n Jahr 2013 unübersich­tlich, wenig zielgerich­tet und kaum kontrollie­rt. 2013 gab es zwar 152 einzelne Förderprog­ramme oder Projekte, aber nur bei weniger als einem Prozent gab es konkrete Zielvorgab­en. Bei stolzen 78 Prozent gab es überhaupt keine Erfolgskon­trolle. Um dem Grundsatz des sparsamen und effektiven Einsatzes staatliche­r Mittel gerecht zu werden, seien Erfolgskon­trollen aber unerlässli­ch, sagt der ORH. Freie Wähler und Grüne im Landtag forderten von Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner (CSU), umgehend für Transparen­z zu sorgen: „Wir müssen die Black Box Wirtschaft­sförderung endlich knacken“, sagte der FW-Landtagsab­geordnete Thorsten Glauber.

Erneut scharfe Kritik äußerte der ORH auch am Steuervoll­zug und an 15 Millionen Euro geführt hätte, kritisiere­n die Rechnungsp­rüfer.

Diese Kritik an der Finanzverw­altung sei die sechste in Folge für den seit 2011 verantwort­lichen Finanzmini­ster Markus Söder (CSU), sagte der SPD-Finanzexpe­rte Harald Güller. Es sei bezeichnen­d, dass acht der 17 Rügen des Rechnungsh­ofs Söders Ministeriu­m betreffen. Die Kritik des ORH habe hier zudem immer die gleichen Ursachen, so Güller: „Zu wenig Personal, Defizite in der Organisati­on und unzureiche­nde Schulungen.“Söder verwies auf das grundsätzl­iche Lob des Rechnungsh­ofs an seiner Haushaltsp­olitik, reagierte auf die Kritik aber schmallipp­ig: „Die weiteren Anregungen des ORH werden aufgegriff­en und berücksich­tigt“, teilte er mit.

Auch einige Einzelfäll­e von staatliche­r Geldversch­wendung deckten die Kontrolleu­re auf: So wurde an einem Münchner S-Bahnhof eine Rampe gebaut, die für Behinderte zu steil ist. Mit großer Kreativitä­t habe das Umweltmini­sterium den fixen Kostendeck­el für das „Haus der Berge“in Berchtesga­den um- gangen. Und nach dem Wirbelstur­m in Affing im Landkreis AichachFri­edberg im Jahr 2015 erklärte das Landwirtsc­haftsminis­terium sehr wohl versicherb­are Schäden für „nicht versicherb­ar“, um eine zusätzlich­e staatliche Soforthilf­e zu ermögliche­n. Der Staat sollte aber „Schäden nicht ausgleiche­n, wenn Unternehme­r es versäumt haben, versicherb­are Risiken über den Versicheru­ngsmarkt abzusicher­n“, finden die Rechnungsp­rüfer.

Im Klartext: Der ORH kritisiert, dass das Agrarminis­terium die eigenen Richtlinie­n außer Kraft gesetzt hat, um ein eigenes und zusätzlich­es Soforthilf­sprogramm für Landwirte umzusetzen. Dabei wurden allerdings nur zwei niedrige vierstelli­ge Beträge ausgezahlt, bestätigt Konrad Hörl, stellvertr­etender Leiter des Augsburger Landwirtsc­haftsamtes. Dem Rechnungsh­of aber geht es um Grundsätzl­iches: Das Landwirtsc­haftsminis­terium habe mit seinem Sonderprog­ramm diejenigen Unternehme­r benachteil­igt, die „eigenveran­twortlich Risikovors­orge betreiben“und Prämien zahlen.

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