Augsburger Allgemeine (Land West)

Als hätte Bach selbst gespielt

Konzert Wie der Madrigalch­or in St. Anna mit der Johannespa­ssion begeistert­e

- VON STEPHANIE KNAUER

Die Interpreta­tion von Bachs Johannespa­ssion steht und fällt mit dem Evangelist­en. Selten wurde das so deutlich wie bei der Aufführung in St. Anna am Karfreitag, die mit dem Tenor Julius Pfeifer eine herausrage­nde Besetzung gefunden hatte. Fast schien es, als reiße der gebürtige Augsburger durch seine lebendige Gestaltung der Rezitative, seine ausdruckss­tarken Arien und seine gespannte Aufmerksam­keit über zwei Stunden die Kollegen mit.

Lebendig deklamiert­e er, gestaltete mit vielen Farben und Emotionen wie Empörung, Trauer, Würde und mit eindrückli­chen Details wie etwa die Leichtigke­it im Worte „wie er ihn losließe“. Die Begleitung der Rezitative gab Pfeifers hohen Kunst recht. Solcher Einsatz erschöpft, und viel länger, so spürte man, hätte die Aufführung nicht dauern dürfen. Denn die Musiker wirkten ausnahmslo­s höchst motiviert, konzentrie­rt, gewillt zu ganzem Einsatz.

Mit dem prominent besetzten Barockorch­ester „La Banda“wählte Kirchenmus­ikdirektor Michael Nonnenmach­er den Orchesterk­lang, den Bach beim Komponiere­n selbst im Ohr hatte. Weniger ist hier die Oberton-Brillanz dominieren­d, dafür ein wärmerer, fülliger Klang mit Kontrasten von Schatten und Licht wie in den Barockgemä­lden. Der Originalkl­ang passt zu dem Werk mindestens genau so gut wie eine plastische Gestaltung – der Wechsel zwischen Anspannung und Auslaufen, der Mut zur Zäsur-Stille und der vielstimmi­ge Tumult etwa –, die an die bauchige Ornamentik des Zeitalters erinnerte. Das Fagottcont­ra brachte schwarze Tiefe in das Gesamtbild, die Violen d’amore eine weinerlich­e Lieblichke­it, die Verbindung aus Laute, Gambe und Orgelposit­iv verströmte schmerzlic­h berührende Innigkeit und Travers und Oboe da caccia wehmütig-gedeckte Kantabilit­ät in der SopranArie „Zerfließe, mein Herze“.

Es pochte der Rhythmus, leichtfüßi­g folgten die freudigen Schritte, Eintrübung­en ins Moll wirkten wie eine plötzliche Schwäche und wie Wogen türmte sich die Dynamik im Eingangsch­or dem harmonisch­en Bogen entspreche­nd auf. Im barocken Klang wird vieles begreifbar­er.

Selten war das Spiel zu laut. Selbst Altus Nicholas Hariades, der in der entscheide­nden Arie „Es ist vollbracht!“seine lyrische Kunst entfaltete, wurde nicht überdeckt. Sopranisti­n Susanne Simenec betörte mit schöner, strahlende­r und lupenreine­r Stimme, Christian Eberl begeistert­e mit seinem in allen Lagen wohlklinge­nden Bariton und intensiver, farbenreic­her Gestaltung, Manuel Wiencke als Christus mit sonorer Würde.

Fast zu zahlreich für das Orchester war der Madrigalch­or, der seine vielseitig­en Einsätze – sei es als Turba höhnend oder wütend, im andächtige­n Chor oder betroffen resümieren­den Choral – präzise, abgestimmt und dynamisch abgestuft meisterte. Diese Aufführung begeistert­e durch ihre Intensität ebenso wie ihre Präzision.

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