Augsburger Allgemeine (Land West)
Als hätte Bach selbst gespielt
Konzert Wie der Madrigalchor in St. Anna mit der Johannespassion begeisterte
Die Interpretation von Bachs Johannespassion steht und fällt mit dem Evangelisten. Selten wurde das so deutlich wie bei der Aufführung in St. Anna am Karfreitag, die mit dem Tenor Julius Pfeifer eine herausragende Besetzung gefunden hatte. Fast schien es, als reiße der gebürtige Augsburger durch seine lebendige Gestaltung der Rezitative, seine ausdrucksstarken Arien und seine gespannte Aufmerksamkeit über zwei Stunden die Kollegen mit.
Lebendig deklamierte er, gestaltete mit vielen Farben und Emotionen wie Empörung, Trauer, Würde und mit eindrücklichen Details wie etwa die Leichtigkeit im Worte „wie er ihn losließe“. Die Begleitung der Rezitative gab Pfeifers hohen Kunst recht. Solcher Einsatz erschöpft, und viel länger, so spürte man, hätte die Aufführung nicht dauern dürfen. Denn die Musiker wirkten ausnahmslos höchst motiviert, konzentriert, gewillt zu ganzem Einsatz.
Mit dem prominent besetzten Barockorchester „La Banda“wählte Kirchenmusikdirektor Michael Nonnenmacher den Orchesterklang, den Bach beim Komponieren selbst im Ohr hatte. Weniger ist hier die Oberton-Brillanz dominierend, dafür ein wärmerer, fülliger Klang mit Kontrasten von Schatten und Licht wie in den Barockgemälden. Der Originalklang passt zu dem Werk mindestens genau so gut wie eine plastische Gestaltung – der Wechsel zwischen Anspannung und Auslaufen, der Mut zur Zäsur-Stille und der vielstimmige Tumult etwa –, die an die bauchige Ornamentik des Zeitalters erinnerte. Das Fagottcontra brachte schwarze Tiefe in das Gesamtbild, die Violen d’amore eine weinerliche Lieblichkeit, die Verbindung aus Laute, Gambe und Orgelpositiv verströmte schmerzlich berührende Innigkeit und Travers und Oboe da caccia wehmütig-gedeckte Kantabilität in der SopranArie „Zerfließe, mein Herze“.
Es pochte der Rhythmus, leichtfüßig folgten die freudigen Schritte, Eintrübungen ins Moll wirkten wie eine plötzliche Schwäche und wie Wogen türmte sich die Dynamik im Eingangschor dem harmonischen Bogen entsprechend auf. Im barocken Klang wird vieles begreifbarer.
Selten war das Spiel zu laut. Selbst Altus Nicholas Hariades, der in der entscheidenden Arie „Es ist vollbracht!“seine lyrische Kunst entfaltete, wurde nicht überdeckt. Sopranistin Susanne Simenec betörte mit schöner, strahlender und lupenreiner Stimme, Christian Eberl begeisterte mit seinem in allen Lagen wohlklingenden Bariton und intensiver, farbenreicher Gestaltung, Manuel Wiencke als Christus mit sonorer Würde.
Fast zu zahlreich für das Orchester war der Madrigalchor, der seine vielseitigen Einsätze – sei es als Turba höhnend oder wütend, im andächtigen Chor oder betroffen resümierenden Choral – präzise, abgestimmt und dynamisch abgestuft meisterte. Diese Aufführung begeisterte durch ihre Intensität ebenso wie ihre Präzision.