Augsburger Allgemeine (Land West)
Am Tag nach Erdogans Referendum
Reaktion Was Türken in der Augsburger Kammgarnmoschee bei einem Treffen nach der Abstimmung sagen
„Bei uns sollte die Politik außen vor bleiben. Unser Verein ist schließlich eine Moschee, keine Partei“, erklärt Ali Akçe bestimmt. Acht Zelte trotzen auf der traditionellen „Kermes“(Jahrmarkt) rund um die Kammgarnmoschee im Textilviertel dem Sturm. Dort treffen auch Gegner und Befürworter von Erdogans Referendum am Tag nach der Abstimmung in der Türkei aufeinander.
Am Nachmittag des Ostermontags drängeln sich etwa 200 Besucher um die Pavillons mit Kuchen, Döner, Iskender-Kebab, Baklava – Dult auf Türkisch. „Ein paar Verrückte gibt es überall, aber ich will, dass die Menschen weiterhin und trotz allem miteinander reden“, sagt Ali Akçe. Er ist Vorsitzender des Moscheevereins, der zum türkischstaatlichen DITIB-Verband gehört. Er wurde in Augsburg geboren, hat einen deutschen Pass, arbeitet bei Federal Mogul in Friedberg und hat zwei beinah erwachsene Kinder, die sich ebenfalls im DITIB-Verband engagieren. Auch wenn seine Großeltern und verschiedene Onkel und Tanten in der Türkei leben – sein Mittelpunkt sei Deutschland und für ihn persönlich habe der Ausgang des Referendums zur Änderung der türkischen Verfassung keine Bedeutung gehabt, sagt er. Das Ergebnis sei für keine Seite Grund zur Freude. „Die Befürworter liegen um nicht mal zwei Prozent vorn. Das ist doch kein Sieg“, so sein Urteil. Das deutsch-türkische Verhältnis müsse sich jetzt auch wieder beruhigen, findet er. Erdogan habe einige Fehler gemacht, wie zum Beispiel die Hitler-Vergleiche. Aber er habe in den Jahren zuvor auch viel geleistet, sagt Akçe. „Das findet zu wenig Beachtung.“
Mahiye Ayverdi, Vorsitzende der Frauenabteilung des Vereins, hat einen türkischen Pass. Für ihr Leben in Deutschland habe das Referendum in der Türkei jedoch keine Auswirkung, sagt auch sie. „Ich mache dort Urlaub, aber leben tue ich ja hier. Meine Kinder sind Deutsche.“Auch sie ist froh, dass es in den letzten Wochen im Verein gelungen ist, alle Lager ohne Eskalationen zusammenzubringen.
Wie die Befürworter hatten auch die Augsburger Gegner der Verfassungsänderung an verschiedenen Tagen vor dem Referendum in der Türkei insgesamt acht Busse zur Abstimmung nach München organisiert. Fatos Kutlucan hat auf der Kermes der Kammgarnmoschee einen Stand mit Schmuck und anderen Geschenkartikeln aufgebaut. Die Malerin mit deutschem Pass, die sich für die Nein-Kampagne einsetzte, wurde am Sonntag vom Ergebnis des Referendums überrascht: „Das war sehr enttäuschend für uns, denn wir waren über Wochen sehr engagiert.“Jetzt bestimme nur noch ein Mann über den Weg der Türkei. Das sei sehr gefährlich, sagt sie.
Befürworter und Gegner treffen aufeinander