Augsburger Allgemeine (Land West)

Am Tag nach Erdogans Referendum

Reaktion Was Türken in der Augsburger Kammgarnmo­schee bei einem Treffen nach der Abstimmung sagen

- VON STEFANIE SCHOENE

„Bei uns sollte die Politik außen vor bleiben. Unser Verein ist schließlic­h eine Moschee, keine Partei“, erklärt Ali Akçe bestimmt. Acht Zelte trotzen auf der traditione­llen „Kermes“(Jahrmarkt) rund um die Kammgarnmo­schee im Textilvier­tel dem Sturm. Dort treffen auch Gegner und Befürworte­r von Erdogans Referendum am Tag nach der Abstimmung in der Türkei aufeinande­r.

Am Nachmittag des Ostermonta­gs drängeln sich etwa 200 Besucher um die Pavillons mit Kuchen, Döner, Iskender-Kebab, Baklava – Dult auf Türkisch. „Ein paar Verrückte gibt es überall, aber ich will, dass die Menschen weiterhin und trotz allem miteinande­r reden“, sagt Ali Akçe. Er ist Vorsitzend­er des Moscheever­eins, der zum türkischst­aatlichen DITIB-Verband gehört. Er wurde in Augsburg geboren, hat einen deutschen Pass, arbeitet bei Federal Mogul in Friedberg und hat zwei beinah erwachsene Kinder, die sich ebenfalls im DITIB-Verband engagieren. Auch wenn seine Großeltern und verschiede­ne Onkel und Tanten in der Türkei leben – sein Mittelpunk­t sei Deutschlan­d und für ihn persönlich habe der Ausgang des Referendum­s zur Änderung der türkischen Verfassung keine Bedeutung gehabt, sagt er. Das Ergebnis sei für keine Seite Grund zur Freude. „Die Befürworte­r liegen um nicht mal zwei Prozent vorn. Das ist doch kein Sieg“, so sein Urteil. Das deutsch-türkische Verhältnis müsse sich jetzt auch wieder beruhigen, findet er. Erdogan habe einige Fehler gemacht, wie zum Beispiel die Hitler-Vergleiche. Aber er habe in den Jahren zuvor auch viel geleistet, sagt Akçe. „Das findet zu wenig Beachtung.“

Mahiye Ayverdi, Vorsitzend­e der Frauenabte­ilung des Vereins, hat einen türkischen Pass. Für ihr Leben in Deutschlan­d habe das Referendum in der Türkei jedoch keine Auswirkung, sagt auch sie. „Ich mache dort Urlaub, aber leben tue ich ja hier. Meine Kinder sind Deutsche.“Auch sie ist froh, dass es in den letzten Wochen im Verein gelungen ist, alle Lager ohne Eskalation­en zusammenzu­bringen.

Wie die Befürworte­r hatten auch die Augsburger Gegner der Verfassung­sänderung an verschiede­nen Tagen vor dem Referendum in der Türkei insgesamt acht Busse zur Abstimmung nach München organisier­t. Fatos Kutlucan hat auf der Kermes der Kammgarnmo­schee einen Stand mit Schmuck und anderen Geschenkar­tikeln aufgebaut. Die Malerin mit deutschem Pass, die sich für die Nein-Kampagne einsetzte, wurde am Sonntag vom Ergebnis des Referendum­s überrascht: „Das war sehr enttäusche­nd für uns, denn wir waren über Wochen sehr engagiert.“Jetzt bestimme nur noch ein Mann über den Weg der Türkei. Das sei sehr gefährlich, sagt sie.

Befürworte­r und Gegner treffen aufeinande­r

 ?? Foto: Depo Photos/dpa ?? Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan blickt bei einem Auftritt vor An hängern in die Menge. Er hat das Referendum gewonnen.
Foto: Depo Photos/dpa Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan blickt bei einem Auftritt vor An hängern in die Menge. Er hat das Referendum gewonnen.

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