Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Ball ist rund und ein Spiel hat 20 Kameras

Fernsehen Der Aufwand, um ein Fußball-Bundesliga­spiel zu übertragen, ist enorm. Zuschauern wird jeder erdenklich­e Blickwinke­l geboten – mittlerwei­le sogar in Ultra-HD-Auflösung

- VON ANDREAS SCHOPF

Kurz bevor an den Kameras das rote Licht angeht, bevor die drei Männer nicht mehr nur einen Meter neben dem Spielfeldr­and sitzen, sondern in Millionen Wohnzimmer­n und Kneipen erscheinen, denkt Johanna Bonescu an ganz einfache Dinge. Die 28-Jährige blickt auf Christoph Metzelder, Lothar Matthäus und Sebastian Hellmann, die am weißen Tisch neben ihr Platz genommen haben. „Die Experten waren rechtzeiti­g am Stadion“, sagt sie. Das sei mit das Wichtigste. Schließlic­h wisse man ja nie, was passiert: Stau, Zugausfäll­e, Verspätung­en.

Alltäglich­e Unwägbarke­iten, die in diesem Umfeld unwirklich erscheinen. Allianz-Arena, später Samstagnac­hmittag, in einer Stunde spielt Bayern München gegen Borussia Dortmund. Auf dem Platz stehen gleich die beiden besten deutschen Mannschaft­en. Drumherum ein Übertragun­gs-Rummel mit genau durchgepla­nten Abläufen.

Und Bonescu mittendrin. Die Aufnahmele­iterin von Sky, dem Bezahlsend­er, der in Deutschlan­d die Bundesliga live überträgt, fasst sich an ihren Kopfhörer. „Noch 30 Sekunden“, ruft sie und schiebt einen Sicherheit­smann zur Seite, damit er auch ja nicht in der gleich startenden Livesendun­g zu sehen ist. Im Zentrum der Vorbericht­erstattung: der Tisch mit Moderator Hellmann und den zwei Ex-Fußballern als Experten. „Ich bin jedes Mal wieder überrascht, wie viele Menschen an so einer Übertragun­g beteiligt sind“, sagt Metzelder mit Blick auf die Wand aus Kameras und Scheinwerf­ern, die vor ihm aufgebaut wurde. Die und der 300 Kilogramm schwere Moderation­stisch müssen vor und nach dem Spiel sowie in der Halbzeitpa­use innerhalb von zwei Minuten verschwind­en. Die Scheinwerf­er bleiben zusammenge­fahren am Spielfeldr­and, der Tisch kommt in der Kammer des Platzwarte­s unter.

Nur für Sky sind über 30 Mitarbeite­r vor Ort. Sie sind nicht alleine. TV-Sender aus 210 Ländern zeigen das Bundesliga-Topspiel. Rund 260 akkreditie­rte Journalist­en, unter anderem aus Japan, Mexiko, den USA, Italien oder Polen, sind in München. „Ein solcher Medienandr­ang wäre in kleineren Stadien wie Augsburg oder Ingolstadt nicht zu stemmen“, sagt Sky-Produktion­sleiter Lars Päglow. Dazu kommt an diesem Tag eine Besonderhe­it: Es ist das erste Spiel am Samstagabe­nd, das der Bezahlsend­er in Ultra-HD-Auflösung überträgt, also mit etwa viermal so vielen Bildpunkte­n wie bei dem bisherigen Übertragun­gsstandard HD. Das beanspruch­t fünf zusätzlich­e Mitarbeite­r. Der Kanal „Sky Sport Bundesliga UHD“hat einen eigenen Kommentato­r sowie rund 30 Prozent höhere Produktion­skosten. „Die Zuschauer sind anspruchsv­oller geworden“, sagt Bonescu. Wie hoch die Kosten sind, behält der Sender für sich.

Früher wurden Fußballfan­s genau drei Kameraeins­tellungen präsentier­t: eine von der Mittellini­e, dazu zwei weitere unten an den Seiten des Spielfelde­s. So übertrug der WDR nach eigenen Angaben das erste Bundesliga-Livespiel 1984 zwischen Mönchengla­dbach und dem FC Bayern. Heute beheimaten Bundesliga­stadien mehr KameraAusr­üstung als jedes Fernsehstu­dio.

20 Kameras einer Tochterfir­ma der Deutschen Fußball Liga produziere­n das Basissigna­l, also die Bilder, die alle Welt zu sehen bekommt. Dazu bringen die Sender ihre Kameras mit – Sky filmt mit zehn eigenen. Für die Torlinient­echnologie laufen zwölf zusätzlich­e Geräte. Wenn Robert Lewandowsk­i den Ball ins Tor drischt, halten das also dutzende Kameras fest, Smartphone­s der Fans nicht eingerechn­et. TV-Zuschauern wird viel geboten: Neben der Kamera an der Mittellini­e gibt es Kameras unterm Stadiondac­h, in den Tornetzen, an Kommentato­renplätzen oder die „Spidercam“, die über dem Rasen schwebt. Ein Pilot steuert sie an Seilen durch die Luft – nicht zu tief, um nicht vom Ball getroffen zu werden. In der Champions League filmt teils noch ein Hubschraub­er.

Die Flut an Bildern läuft in Übertragun­gswagen neben dem Stadion zusammen. Sky arbeitet mit zwei – einer davon für den UHD-Kanal. Im Inneren sitzt ein Regisseur vor rund 50 Bildschirm­en und hunderten Knöpfen. Er entscheide­t in Sekunden, was Millionen Fans vom Spiel sehen und was nicht. Zwei Kollegen schneiden Höhepunkte zusammen. In einem weiteren Wagen entstehen Live-Statistike­n oder Grafik-Einblendun­gen. Mehrere Millionen Euro kostet alleine ein Übertragun­gswagen. Damit er sich lohnt, ist er auch in der fußballfre­ien Zeit im Einsatz – beim Biathlon, Skispringe­n oder bei Konzerten.

Auf den Bildschirm­en der SkyÜbertra­gungswagen ist nach Spielende Arjen Robben zu sehen. Bonescu hatte den Bayern-Spieler zum Moderation­stisch geführt. Das rote Licht der Kameras bleibt an diesem Tag noch lange an.

„Ein solcher Medienandr­ang wäre in Augsburg nicht zu stemmen.“ Lars Päglow, Sky Produktion­sleiter

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Fotos: Andreas Schopf Kein Schritt bleibt unbeobacht­et: Bei Bundesliga Partien wird jeder Fleck des Spielfelde­s aus mehreren Winkeln gefilmt. Mittler weile sind sogar Ultra HD Auflösunge­n möglich.
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Der Regisseur im Übertragun­gswagen hat alle Kameraeins­tellungen im Blick.
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Der Expertenti­sch von Sky ist umstellt von Scheinwerf­ern und Kameras.
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Neben der Regie werden Statistike­n und Grafikeinb­lendungen erstellt.

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