Augsburger Allgemeine (Land West)

Wo das Baby in der Schießbude schläft

Porträt Viele Schaustell­erfamilien haben eine lange Tradition. Wie bei der Familie Kreis vor 150 Jahren alles begann

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Er war Schreinerm­eister im oberbayeri­schen Städtchen Geisenfeld – und kam auf eine neue Geschäftsi­dee. Vor genau 150 Jahren sattelte der Handwerker Valentin Kreis um. Er baute sich ein Kinderkaru­ssell und wurde so zum Schaustell­er, der fortan Jahrmärkte bereiste. Und er begründete eine Familiendy­nastie. Die Familie Kreis ist heute in der sechsten Generation im Schaustell­ergeschäft aktiv – und seit vielen Jahrzehnte­n auch auf dem Plärrer.

Mit seinen 80 Jahren denkt Helmut Kreis nicht ans Aufhören. Er betreibt mit Sohn Armin, 49, einen Schieß-Wagen. Ein gutes Dutzend Feste besucht er jedes Jahr. Helmut Kreis ist der Ur-Enkel von Valentin Kreis, mit dessen Kinderkaru­ssell im Jahr 1867 alles begonnen hat. Sein Schießstan­d steht auf dem Osterplärr­er neben dem SchallerZe­lt. Direkt gegenüber sitzt Sohn Thomas, 51, im Kassenhaus des Kinderkaru­ssells „Samba“.

Das Leben auf den Festen haben sie alle mit der Muttermilc­h aufgesogen. Thomas Kreis erzählt, dass er als Baby schlafend unter der Theke der Schießbude lag. „Es war der sicherste Platz“, sagt er. Auch sein Sohn, Thomas Kreis junior, will im Schaustell­ergeschäft bleiben. Der 19-Jährige ist der jüngste Spross der Familie. Er macht eine Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugba­uer. Eine gute Grundlage, um später selbst ein Fahrgeschä­ft zu betreiben.

Der Blick ins Familienal­bum ist bei der Familie Kreis spannend. Es gibt alte Fotos, die zeigen, mit welchen Attraktion­en die Vorfahren unterwegs waren. Eine echte Sensation war in den 1930er Jahren die „Todesfahrt im Höllenglob­us“. Zwei wagemutige Motorradfa­hrer schossen gleichzeit­ig in einer Metallkuge­l umher. Solche „Todeskugel­n“gibt es noch heute, vor allem in Zirkussen. Familienmi­tglieder Kreis zog es in die USA zur berühmten Hochseiltr­uppe „The Great Wallendas“und nach England.

Auch eine Schiffscha­ukel gehört seit Langem zum Familienbe­sitz. Die Schaukel kommt auf dem Plärrer aber nur noch selten zum Einsatz. Das Vergnügen, für das man selbst arbeiten muss, hat mit modernen, spektakulä­ren Fahrgeschä­ften viel Konkurrenz bekommen. Und alleine mit Nostalgie lässt sich eben keine Familie ernähren.

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Foto: Silvio Wyszengrad Drei Generation­en der Familie Kreis auf einem Bild (von links): Thomas jun., Thomas, Helmut und Armin Kreis.

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