Augsburger Allgemeine (Land West)
Wer klopft an der Kabinentür?
Fußballer-Kabinen sind furchtbare Orte. Selbst in modernen Arenen haben sie den Charme gekachelter Tiefgaragen. Vor dem Anpfiff herrscht noch strenge Ordnung. Hinterher regiert das Chaos, sieht es aus wie in einer übervölkerten Junggesellenbude. Und wer schon einmal in einem Pavian-Gehege war, weiß, wie es in einer Umkleidekabine riecht.
Trotzdem gilt der Ort als mystisch. Die deutsche Sprache hat ihm so wunderbare Geschöpfe wie die Kabinenpredigt zu verdanken. Man würde gerne einmal dabei sein, wenn José Mourinho über das System der flachen Raute predigt oder seinen Stars einfach nur in den Hintern tritt. Ja, dafür würde man auch unter einem übelriechenden Klamottenhaufen spionieren. Aber was hilft’s. Wer nicht dazugehört, kommt nicht rein.
Der Spielerkabine verwandt ist die Schiedsrichterkabine. Geordneter zwar, aber hermetischer abgeriegelt. Der Grund: Spieler, Manager, mitunter sogar leibhaftige Präsidenten drängt es immer wieder zum Diskurs mit den Unparteiischen. In unteren Fußballklassen sind die Kabinen auch Zufluchtsorte mit stabilen Türen.
Es sind immer die Verlierer, die an Schiedsrichterkabinen klopfen. Dienstagnacht in Madrid waren es die Herren Vidal, Lewandowski und Thiago, die das Gespräch mit dem Unparteiischen gesucht haben. Ob sie angeklopft haben? Wohl kaum. Spanische Journalisten hatten berichtet, das Bayern-Trio habe die Kabine gestürmt und den unglückseligen Unparteiischen Viktor Kassai heftig, und wohl auch mehrsprachig, beschimpft. Angesichts des Münchner Erregungsgrades regt sich die Vorstellung von einer roten Kampftruppe, die mit Blendgranaten und Vorschlaghämmern die Kabine entert.
Die Polizei, die den Schiedsrichterraum sicherte, dementiert dessen Erstürmung. Die drei hätten es versucht, seien aber, ähnlich wie im Spiel immer wieder, an der spanischen Abwehrkette gescheitert.