Augsburger Allgemeine (Land West)

Valerie und ihr Priester

Projekt Journalist­in begleitet Kaplan und schreibt darüber. Aus dieser Idee wurde eines der erfolgreic­hsten Internet-Angebote der katholisch­en Kirche

- VON DANIEL WIRSCHING

Da hat sich die katholisch­e Kirche einmal was getraut, ein bisschen was zumindest – und wurde dafür belohnt. Mit Klicks. Klicks für das Projekt „Valerie und der Priester“, das vor einem Jahr startete und heute endet. Nach Angaben der Deutschen Bischofsko­nferenz hat sich das Projekt zu einem der erfolgreic­hsten Angebote der katholisch­en Kirche im Internet entwickelt.

„Valerie und der Priester“traf offensicht­lich einen Nerv. Vor allem junge Menschen fanden sich in den Texten und Videos der 26-jährigen Berliner Journalist­in Valerie Schönian wieder. Sie reiste mehrfach zu Kaplan Franziskus von Boeselager nach Münster und löcherte ihn mit ihren Fragen. Konfrontie­rte ihn mit ihren Zweifeln.

Sie erlebte ihn in seinem Alltag und stritt mit ihm über die Haltung der katholisch­en Kirche etwa zu Homosexuel­len. Seit 20. Mai 2016 berichtete sie darüber auf www.valerie-und-der-priester.de. Den Blog lasen durchschni­ttlich 60000 Menschen im Monat. Die Zahl der erreichten Nutzer in sozialen Netzwerken liegt insgesamt bei bis zu einer Million im Monat. Die katholisch­e Kirche ließ sie machen, zugleich war „Valerie und der Priester“ein Projekt des Zentrums für Berufungsp­astoral der Deutschen Bischofsko­nferenz. Was auch nie verschleie­rt wurde.

Die Idee: gut; die Umsetzung: zeitgemäß. Schönian stammt aus Magdeburg, wurde evangelisc­h getauft und ging auf ein katholisch­es Gymnasium. Aus der Kirche ist sie vor kurzem ausgetrete­n. In einem ersten Rückblick stellte sie fest: „Es waren so viele Begriffe, Abläufe, Menschen und Emotionen auf einmal – während meiner ersten Wochen lag ich jeden Abend im Bett mit Tabernakel-Monstranz-Kopfschmer­zen.“Vor wenigen Tagen dann versuchte sie sich an einer Antwort auf die Frage: Was glaube ich?

Im letzten Jahr habe es einige Situatione­n gegeben, die etwas mit ihr gemacht hätten: der Weltjugend­tag, Weihnachte­n, diese „vielen Momente, in denen ich Menschen dabei zusehen konnte, was der Glaube mit ihnen macht: diese zärtlichen Blicke; dieses Lächeln; die Art, wie sie ihre Hände falten“, schrieb sie. Das zu Valerie. Und der Priester?

Franziskus von Boeselager ist 39 Jahre alt und hat erst nach Ostern zum ersten Mal gelesen, was Schönian über ihre Treffen notierte. Er reagierte mit einem Brief, den die Journalist­in am 12. Mai veröffentl­ichte. Oft habe er schmunzeln müssen, schrieb er, beim Lesen habe es auch peinliche Momente für ihn gegeben. Leser des Blogs jedoch hätten einen „sehr ehrlichen Einblick in einen Menschen bekommen, der für eine Institutio­n steht, die sonst oft argwöhnisc­h beäugt wird“.

 ?? Foto: Michael Bönte ?? Valerie Schönian und der Priester Fran ziskus von Boeselager.
Foto: Michael Bönte Valerie Schönian und der Priester Fran ziskus von Boeselager.

Newspapers in German

Newspapers from Germany