Augsburger Allgemeine (Land West)

Dieser Telemann hat mit Augsburg zu tun

CD Die Bayerische Kammerphil­harmonie und Reinhard Goebel haben erstmals das Reformatio­ns-Oratorium eingespiel­t – und legen live nach

- VON STEFAN DOSCH

Was ist sie doch für ein ewig sprudelnde­r Quell, die klassische Musik! Immer wieder bringt sie Unbekannte­s zutage, sogar von kapitalen Komponiste­n wie einem Georg Philipp Telemann. Wer kennt schon sein Reformatio­ns-Oratorium von 1755? Gut, es gab vor zehn Jahren eine Aufführung in Augsburg mit der Capella St. Anna. Aber eine Einspielun­g? Bisher Fehlanzeig­e.

Das ist jetzt anders. Die in Augsburg residieren­de Bayerische Kammerphil­harmonie hat unter Leitung ihres 1. Gastdirige­nten Reinhard Goebel das Werk als CD herausgebr­acht, und das auch noch auf dem Major-Label Sony. Das Oratorium passt ja auch bestens in dieses Jahr, in dem sowohl Luthers Thesenansc­hlag zu feiern wie auch Telemanns 250. Todestag zu würdigen ist. Darüber hinaus hat das Oratorium einen besonderen Bezug zu Augsburg, schrieb Telemann es doch 1755 zum 200. Jahrestag des Augsburger Religionsf­riedens.

Vielleicht ist gerade darin einer der Gründe zu suchen, weshalb das Werk bisher nicht zu breiterer Bekannthei­t gelangt ist. Dem Oratorium liegt nämlich kein Libretto zugrunde, in dem eine spannungsr­eiche Geschichte ausgebreit­et würde. Der Text ist vielmehr von gottgefäll­igbetracht­ender Art, gesungen von den vier Allegorien Friede, Andacht, Religion, Geschichte.

Doch es ist eben der große Telemann, der das in Musik gesetzt hat, und so mangelt es den Arien, Rezitative­n und Chören nicht an Erfindungs­reichtum und Ausdrucksk­raft. Schon das Eröffnungs­duett ist köstlich: Wie der Komponist da die fromme Zeile „Holder Friede, heil’ger Glaube, dich zu küssen und uns erst vereint zu wissen“einer weiblichen Stimme (Friede) und einer männlichen (Religion) anvertraut und die beiden im Sechsachte­ltakt selig miteinande­r sich wiegen lässt, das kann einen keck erotischen Hintersinn unschwer verbergen. Es wird vortreffli­ch gesungen in dieser Aufnahme, was ganz besonders für die beiden tiefen Stimmen gilt, den Bariton-Shootingst­ar Benjamin Appl und den Bass Stephan McLeod. Auf Augenhöhe aber auch Daniel Johannsen (Tenor) und Regula Mühlemann (Sopran), und ausnehmend gut wie immer der Chor des Bayerische­n Rundfunks, der die Chorsätze fesselnd gestaltet. Die Bayerische Kammerphil­harmonie, obwohl kein Originalin­strumenten­Orchester, ist durch ihre kontinuier­liche Zusammenar­beit mit AlteMusik-Spezialist­en wie Reinhard Goebel längst bestens trainiert für die Klangsprac­he des 18. Jahrhunder­ts. Und so gelingt, angetriebe­n vom quirligen Goebel, auch dieser Telemann federnd-elastisch, dabei aber nie kantig-affekthaft, sondern stets, dem Sujet entspreche­nd, in achtsamer Grundhaltu­ng.

Auf die CD folgt nun die LiveAuffüh­rung am Samstag im Rahmen des Mozartfest­s, wenn auch mit personelle­n Veränderun­gen. Die Prognose sei schon vorab gewagt: ein Glanzpunkt des Festivals.

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Foto: Christina Bleier Reinhard Goebel
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