Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum Vanille immer teurer wird

Ernährung In wenigen Jahren ist der Preis um mehr als das 15-Fache gestiegen. Das macht Eisverkäuf­ern zu schaffen und weckt bei Verbrauche­rn böse Erinnerung­en

- VON ANDREAS BAUMER

Wird das Vanilleeis, die beliebtest­e Eissorte der Deutschen, bald teurer? Zumindest könnte es für Eisdielen noch richtig kostspieli­g werden. Denn der Preis für das Gewürz, das der Süßigkeit erst sein besonderes Aroma verleiht, hat in jüngster Zeit kräftig angezogen.

Antonio Micello ist einer der Leidtragen­den. Der Italiener betreibt in der Günzburger Innenstadt ein Eiscafé. Eine Kugel kostet bei ihm einen Euro. Würde er streng wirtschaft­lich denken, hätte er den Preis für eine Kugel Vanilleeis schon auf 1,10 Euro oder mehr heraufsetz­en müssen. „Das würden die Kunden aber nicht verstehen“, sagt er. Deshalb muss er die Zusatzkost­en selbst tragen. Ein paar tausend Euro Umsatz pro Saison weniger mache er dadurch schon, klagt er.

„Die Vanille ist in einer großen Krise“, sagt Bernd Hachmann vom Hamburger Vanillehan­delshaus Aust & Hachmann. Die besonders weiche Bourbon-Vanille, die nur auf den Inseln Madagaskar, La Réunion und den Komoren angebaut werde, sei derzeit kaum noch zu bekommen, klagt er. Verkauft werde deshalb zunehmend sogenannte TahitiVani­lle aus Papua-Neuguinea, de- ren Aroma aber weniger sanft sei. Doch selbst diese größere Menge reicht offenbar nicht mehr aus, um die zunehmende Nachfrage nach echter Vanille zu befriedige­n. Die Folge: Die Preise sind sprunghaft angestiege­n – in wenigen Jahren um mehr als das 15-Fache. Damit reiht sich die Vanille in eine Reihe anderer Naturprodu­kte ein, die in jüngster Zeit ähnlichen Preisexplo­sionen ausgesetzt waren.

Vor nicht einmal drei Jahren waren es noch Haselnüsse, die immer weniger und teurer wurden. Der Grund damals: ein Unwetter in einer Frühjahrsn­acht entlang der türkischen Schwarzmee­rküste, dem größten Haselnussa­nbaugebiet der Welt. Frost und Hagel fielen über die sonst trockene und warme Region her. Unzählige junge Blüten an den Haselnusss­träuchern sind erfroren. Die Ernte brach um mindestens 40 Prozent ein – eine Einbuße mit globalen Auswirkung­en. Immerhin reifen drei Viertel aller weltweit verzehrten Haselnüsse in der Türkei. Die Folgen bekamen Supermärkt­e noch im selben Jahr zu spüren. 200-Gramm-Packungen Haselnüsse kosteten teils 2,80 Euro. Vielen Läden ging das Produkt gar ganz aus.

Auch Mandeln wurden in den vergangene­n Jahren immer teurer. Auch in diesem Fall spielte die Natur eine entscheide­nde Rolle. 80 Prozent aller weltweit produziert­en Mandeln stammen aus Kalifornie­n. Dort brach 2012 allerdings eine schlimme Dürre aus. Je länger sich diese hinzog, desto mehr machte sie den Mandelbaue­rn zu schaffen. Gleichzeit­ig wurden die Steinfrüch­te in China und anderen asiatische­n Ländern immer beliebter. Während die Ernteerträ­ge sanken, kletterten die Preise nach oben.

Nun also Vanille. Seit 2003 seien die Preise im Haupterzeu­gerland Madagaskar im Keller gewesen, sagt Experte Hachmann. Daraufhin vernachläs­sigten viele Bauern die aufwendige Plantagena­rbeit. In den vergangene­n drei Jahren allerdings stieg die Nachfrage weltweit rasant. Das Angebot hielt damit nicht Schritt. Dazu kamen schlechte Ernten 2016 und Spekulatio­nen am Markt. Die Folge: Zahlte man für ein Kilo Vanille vor wenigen Jahren noch 30 Euro, sind es jetzt bereits um die 500 Euro. Besserung sei kurzfristi­g nicht in Sicht, sagt Hachmann. Denn zum Aufbau neuer Plantagen seien etwa drei bis vier Jahre nötig.

„Es ist nicht ungewöhnli­ch, dass Rohstoffe wie Haselnüsse und Vanille starken Preisschwa­nkungen ausgesetzt sind“, sagt Ernst Kammerinke, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands der Deutschen Süßwarenin­dustrie. Weil die Pflanzen nur in manchen Teilen der Welt angebaut würden, sei es schwierig, mögliche Ernteausfä­lle aufzufange­n. Wenn dann die Nachfrage wie im Fall von Vanille stark ansteige, seien Preissprün­ge die logische Folge, erläutert der Experte.

Als 2014 Haselnüsse knapp wurden, traf es neben Weihnachts­bäckern auch Naschkatze­n, die gerne Nutella oder Knoppers essen. Müssen jetzt Vanillelie­bhaber mehr zahlen? Hachmann beschwicht­igt. Bereits heute werde vorwiegend künstliche­s Vanillearo­ma eingesetzt, sagt er. „Der Normalverb­raucher schmeckt den Unterschie­d nicht.“Der Verband der italienisc­hen Speisehers­teller Uniteis sagt dagegen, dass die Mehrzahl der handwerkli­ch arbeitende­n Eisdielen nach wie vor das natürliche Gewürz verwende. Verkäufer, die das nicht täten, dürften ihr Eis auch nicht als Vanilleeis verkaufen, sondern nur als „Eis mit Vanilleges­chmack“.

Das kommt für den Günzburger Eisverkäuf­er Micello nicht infrage. Er will auch künftig auf echtes Vanilleeis setzen. Für einen Euro. Auch wenn es ihm wehtut.

 ?? Foto: Roland Weihrauch, dpa ?? Vanille ist die beliebtest­e Eissorte der Deutschen, doch Eisverkäuf­ern bereitet sie zunehmend Sorgen. In wenigen Jahren ist der Preis für das Gewürz sprunghaft gestiegen – von 30 Euro pro Kilogramm auf um die 500 Euro. Besserung, sagt Experte Bernd...
Foto: Roland Weihrauch, dpa Vanille ist die beliebtest­e Eissorte der Deutschen, doch Eisverkäuf­ern bereitet sie zunehmend Sorgen. In wenigen Jahren ist der Preis für das Gewürz sprunghaft gestiegen – von 30 Euro pro Kilogramm auf um die 500 Euro. Besserung, sagt Experte Bernd...

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