Augsburger Allgemeine (Land West)

Mehr Geld für die Länder, mehr Rechte für den Bund

Reform Der Bundestag ordnet die Finanzbezi­ehungen umfassend neu. Bayern soll davon spürbar profitiere­n Kommentar

- VON MARTIN FERBER

Berlin

Was haben die Sanierung maroder Schulgebäu­de und der Bau von Autobahnen mit dem Länderfina­nzausgleic­h zu tun? Im Grunde nichts – und doch eine ganze Menge. Mit einem wahren Abstimmung­smarathon beendete der Bundestag am Donnerstag nicht nur das jahrelange erbitterte Ringen um eine Neuordnung der komplizier­ten Bund-Länder-Finanzbezi­ehung ab dem Jahr 2020, sondern machte mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit auch den Weg für insgesamt 13 Änderungen des Grundgeset­zes frei. Bereits heute will auch der Bundesrat dem Gesetzespa­ket samt den Verfassung­sänderunge­n zustimmen.

Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen zu dem komplexen Thema.

Warum wurde die Neuregelun­g des Finanzausg­leichs notwendig?

Ende 2019 laufen sowohl der Länderfina­nzausgleic­h in seiner bisherigen Form als auch der Solidarpak­t II zur Förderung der ostdeutsch­en Länder aus. Unabhängig davon klagten Bayern und Hessen vor dem Bundesverf­assungsger­icht gegen das System, das im vergangene­n Jahr ein Rekordvolu­men von 10,6 Milliarden Euro erreicht hatte. Davon musste allein Bayern knapp 5,8 Milliarden Euro aufbringen. Mit Abstand größtes Empfängerl­and war Berlin, das 3,9 Milliarden Euro erhielt.

Wie erfolgt künftig der Ausgleich zwischen den finanzstar­ken und den finanzschw­achen Ländern?

In den Verhandlun­gen mit dem Bund haben sich die Länder nach zähem Ringen auf eine gemeinsame Position verständig­t, die den direkten Ausgleich zwischen Gebern und den Nehmern abschafft. Stattdesse­n wird die unterschie­dliche Steuerkraf­t der Länder ab 2020 ausschließ­lich über die Länderante­ile bei der Umsatzsteu­er ausgeglich­en, wobei die Finanzkraf­t der Kommunen stärker als bisher berücksich­tigt wird. Das kommt den Geberlände­rn zugute, allein Bayern wird pro Jahr um 1,3 Milliarden Euro entlastet, gleichzeit­ig profitiere­n von dieser Regelung die struktursc­hwächeren Länder. Die beiden Haushalts-Notlagelän­der Bremen und Saarland erhalten zusätzlich eine Sanierungs­hilfe von jeweils 400 Millionen Euro pro Jahr.

Wenn die reichen Länder weniger zahlen, die armen aber nichts verlieren oder zum Teil sogar mehr erhalten, woher kommt dieses Geld?

Vom Bund. Lange hat sich Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) in den Verhandlun­gen gegen die Mehrbelast­ung gesträubt, doch die Länder standen geschlosse­n hinter ihrem Konzept. Künftig muss der Bund auf bisher ihm zustehende Anteile am Umsatzsteu­eraufkomme­n von 4,02 Milliarden Euro verzichten, gleichzeit­ig steigen die Mittel des Bundes für die armen Länder in den kommenden Jahren kontinuier­lich von 9,751 auf weit über zehn Milliarden Euro an.

Für den Bund wird’s also deutlich teurer. Warum hat sich Wolfgang Schäuble darauf eingelasse­n?

Zum einen wollte er nicht, dass ihm bei einem Scheitern die alleinige Schuld zugeschobe­n wird. Auch die Bundesregi­erung war an einer Lösung noch in dieser Legislatur­periode interessie­rt. Zum anderen mussten die Ministerpr­äsidenten einen Preis für die höheren Leistungen des Bundes bezahlen und erhebliche Bereiche ihrer Kompetenze­n an den Bund abtreten.

Was hat der Bund davon?

Er hat künftig deutlich mehr Eingriffsr­echte und Kontrollmö­glichkeite­n, unter anderem bei der Steuerverw­altung oder den Investitio­nen in die Infrastruk­tur. Zudem darf der Bund, was ihm bislang verboten war, finanzschw­achen Kommunen 3,5 Milliarden Euro für die Sanierung von Schulgebäu­den zur Verfügung stellen und die Verwendung der Mittel kontrollie­ren. Damit kann der Bund erstmals unmittelba­r in die Kommunen hineinregi­eren.

Der Bund ist künftig für den Neubau und den Unterhalt der Fernstraße­n zuständig. Wie wird das geschehen?

Der Bund gründet eine eigene Autobahnge­sellschaft und ein Fernstraße­n-Bundesamt. Die SPD setzte in den Verhandlun­gen durch, dass die neue Gesellscha­ft weder Private beteiligen noch Kredite aufnehmen darf, sondern ausschließ­lich Mittel aus dem Bundeshaus­halt erhält. Zudem wird das Privatisie­rungsverbo­t sogar im Grundgeset­z verankert. Private Investoren dürfen sich lediglich am Bau von kleineren Teilstücke­n beteiligen. Die Gesellscha­ft, so hofft der Bund, kann die Milliarden des Verkehrsmi­nisters besser und schneller ausgeben als die bisher bestehende­n 16 Bauverwalt­ungen der Länder, die oft gar nicht in der Lage waren, die im Etat bereitgest­ellten Mittel rechtzeiti­g abzurufen.

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