Augsburger Allgemeine (Land West)

Askovic macht große Schritte

Leichtathl­etik Der 19-Jährige ist Bayerns schnellste­r 100-Meter-Sprinter. Kürzlich hat er einen 46 Jahre alten Rekord gebrochen. Olympia ist das Ziel, doch nicht nur Zeiten stehen im Weg

- VON JOHANNES GRAF

Womöglich sind die Zehnkämpfe­r die wahren Könige in der Leichtathl­etik. Die höchste Aufmerksam­keit allerdings, die ziehen die 100-Meter-Sprinter auf sich. Das hat mit den Gebaren der Muskelprot­ze vor dem Start zu tun, mit den schillernd­en Typen, natürlich auch mit Dopingskan­dalen. So gar nicht dieser Badboy-Gattung entspricht Aleksandar Askovic. Höflich und sympathisc­h wirkt er im Gespräch, der junge Mann aus Augsburg-Hochzoll mit dem Bubengesic­ht. Den 19-Jährigen kann man sich schwerlich vorstellen, wie er sich gegen die Testostero­nhelden der Welt behauptet. Bestenfall­s bekommt er jedoch einmal Gelegenhei­t dazu.

Askovic hat große Ziele und Träume, unter anderem Teilnahmen an Welt- und Europameis­terschafte­n, vielleicht sogar an Olympische­n Spielen. Dass der Weg dorthin steinig ist, dass viel Arbeit auf ihn wartet und er seinen Traum nicht innerhalb von zwei, drei Jahren verwirklic­hen wird, weiß er. „Aber man darf schließlic­h träumen“, sagt er grinsend.

Jüngst hat Askovic den 46 Jahre alten schwäbisch­en Rekord über 100 Meter gebrochen, er gilt aktuell als schnellste­r Mann Bayerns und steht in der deutschen Bestenlist­e auf Rang 13. Askovic steigert sich stetig, nicht plötzlich.

Seit drei Jahren betreut Stefan Wastian den Nachwuchsl­äufer der LG Augsburg, von 10,97 Sekunden verbessert­e sich Askovic seitdem auf 10,5 Sekunden. Trainer Wastian beschreibt seinen Schützling allgemein als „Bewegungst­alent“, Schnellkra­ft sei dessen große Stärke.

Askovic entgegnet lächelnd, er habe keine andere Wahl gehabt. Mutter Jadranka war Hürdenspri­nterin, Vater Zoran Hochspring­er. Sohn Aleksandar probierte allerhand aus, versuchte sich im Mehrkampf, war ein begabter Tennisspie­ler. Vor zwei Jahren legte er sich fest, seitdem sieht er seine sportliche Zukunft in den 100 Metern. Er liebt den Adrenalin-Schub beim Start, fast täglich trainiert er, ist ehrgeizige­r und trainingsf­leißiger als früher.

Unübersehb­ar zählt Askovic zu den Technikspr­intern. Das leuchtend gelbe T-Shirt beulen keine Muskelberg­e aus, die kurze Hose schlackert um die Oberschenk­el. Askovic orientiert sich an Sprintern, die ähnliche Voraussetz­ungen mitbringen: dem deutschen Rekordhalt­er Julian Reus etwa, und natürlich Olympiasie­ger Usain Bolt. Schrittlän­ge, Kniehebung, Winkel beim Start, Zehenspitz­enlauf – hier sieht Askovic noch Potenzial. Sollte er in Bereichen an Grenzen stößen, wird an der Kraft gearbeitet. Der 19-Jährige erklärt, jedes Zehntel oder Hundertste­l weniger sei im Sprint schwierig, fortwähren­d suche man nach dem Erfolgsgeh­eimnis.

Zu diesem zählt neben der physischen Stärke die Psyche. Je älter die Konkurrent­en werden, desto mehr Gewicht bekommen die PsychoSpie­lchen vor dem Rennen. Wenn die Athleten vorgestell­t werden, senden sie Signale an die Mitstreite­r. Askovic lässt sich seit diesem Jahr verstärkt darauf ein. „Die Show ist wichtig. Wenn man sich am Start selbstsich­er darstellt, dann ist der Gegner eingeschüc­htert.“

Manch einer klopft sich wie ein Gorilla auf die Brust, andere geben sich extrem cool oder vollziehen einen Hock-Streckspru­ng. Askovic hat sich selbst Rituale angeeignet, vom Aufwärmen bis ins Ziel läuft alles nach einem Muster ab, geschieht vor allem unterbewus­st. „Man denkt eigentlich nicht darüber nach, was man macht“, erzählt Askovic.

In Augsburg studiert der 19-Jährige Materialwi­ssenschaft, neben Training und Uni bleibt kaum Freizeit. Doch gerade jetzt, wenn es um Qualifikti­onszeiten geht, gönnt sich Askovic selten Pausen. Trainer Wastian räumt ein, man müsse ihn sogar bremsen. Askovic treiben drei kurzfristi­ge Ziele an: eine Berufung in den B-Kader des Deutschen Leichtathl­etik-Verbands, die Junioren-EM in Polen (Juli) und die Unidiesen versiade in China (August). Als Mitglied des B-Kaders würde Askovic unter anderem davon profitiere­n, dass Physiother­apeuten gestellt und Fahrtkoste­n erstattet würden und sein Studium an den Leistungss­port angepasst würde.

Dem Bundeskade­r im Weg stehen neben geforderte­n Zeiten noch bürokratis­che Hürden. Askovic ist in Belgrad geboren, zog mit vier Jahren aus Serbien nach Deutschlan­d, besitzt aber keinen deutschen Pass. National startet er für die LG Augsburg, internatio­nal hat er jedoch keine Startberec­htigung. Würde er sich Serbien anschließe­n, dürfte er nicht mehr zur deutschen Meistersch­aft. Askovic sagt: „In der Leichtathl­etik bin ich staatenlos.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Aleksandar Askovic ist derzeit schnellste­r 100 Meter Sprinter Bayerns. Der 19 jährige Augsburger und Trainer Stefan Wastian arbeiten sich stetig näher an die deutsche Spitze heran.
Foto: Ulrich Wagner Aleksandar Askovic ist derzeit schnellste­r 100 Meter Sprinter Bayerns. Der 19 jährige Augsburger und Trainer Stefan Wastian arbeiten sich stetig näher an die deutsche Spitze heran.

Newspapers in German

Newspapers from Germany