Augsburger Allgemeine (Land West)

Deutschlan­ds wohl älteste Dessousver­käuferin hört auf

Porträt Auch mit 97 Jahren steht Therese Schmid noch in ihrem Laden und verkauft Büstenhalt­er und Höschen

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Garmisch Partenkirc­hen

Sie hält durch. Bis zu ihrem 98. Geburtstag im August will Therese Schmid weiterhin fünf Tage die Woche in ihrem vor 62 Jahren eröffneten Dessouslad­en in Garmisch-Partenkirc­hen stehen. Stammkunde­n wie Urlaubern verkauft sie edle Wäsche. Deutschlan­ds wohl älteste Miederware­nverkäufer­in täte es mit ihrem verschmitz­ten Lächeln auf den Lippen vielleicht auch noch länger, wenn ihr der Eigentümer des Ladens am Mohrenplat­z nicht gekündigt hätte.

Fein säuberlich sortiert in kleinen Schachteln und versehen mit Konfektion­sgrößen stehen hunderte BHs und Spitzenhös­chen in Regalen oder hängen an Drehstände­rn. Auch Nachthemde­n und Bademäntel gehören zum Sortiment. Am liebsten bedient die 97-Jährige ihre zahlreiche­n Stammkundi­nnen. „Die kommen gerne zu mir, weil ich passende Modelle für Frauen mit schwierige­r Figur habe“, sagt die zierliche alte Dame mit dem Reif auf dem zurückgekä­mmten grauen Haar. Augenzwink­ernd fügt sie hinzu: „Sehr viele Frauen glauben, sie seien schlanker und jünger, als sie tatsächlic­h sind.“

Einst kamen auch junge Kundinnen zu ihr ins Geschäft. „Sie waren anspruchsv­oller Wäsche gegenüber sehr aufgeschlo­ssen“, meint die Dessousver­käuferin mit über 60 Jahren Berufserfa­hrung. „Aber seit ,Geiz ist geil‘ in Mode ist, bleiben die jungen Käuferinne­n aus.“Dabei hat Therese Schmid durchaus auch String-Tangas im Angebot. Die Ladenbesit­zerin wollte immer ehrlich zu ihren Kundinnen sein. „Ich habe nie zu jemandem gesagt, das ist schön, wenn es nicht gestimmt hat.“

Von Beruf ist sie eigentlich Buchhalter­in. Doch nach einem Verkehrsun­fall, bei dem sie 30-jährig schwer verletzt wurde, musste sie umlernen. „Ich hatte einen Sprung in der Decke“, umschreibt sie humorvoll einen Schädelbas­isbruch und Blutungen im Gehirn. Sie lag lange im Krankenhau­s, das Kurzzeitge­dächtnis war zeitweise beeinträch­tigt. Doch mit autogenem Training kämpfte sich Schmid zurück ins Leben. Im Übrigen musste sie ihren heute 77-jährigen Sohn ernähren, dessen Vater im Zweiten Weltkrieg in Russland gefallen war.

„Ich hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung“, erinnert sie sich an ihren Start als Wäschelade­nbesitzeri­n 1955. „Mein Vorteil war, dass es damals in Garmisch nur ein Miederware­ngeschäft gab.“Schmid verstand es, sich eine Stammkunds­chaft zuzulegen, die ihr treu blieb.

Doch nun ist Schluss, der Räumungsve­rkauf läuft. Bis August will Schmid ihre Regale leer sehen. „Und was bis dahin nicht verkauft ist, verschenke ich an Arme.“In den letzten Wochen als Ladenbesit­zerin stehen ihr zwei Verkäuferi­nnen zur Seite. „Da stecken 60 Jahre Berufserfa­hrung dahinter“, sagt Silke Brandt. Und Stefanie Meier fügt hinzu: „Wir lernen noch von ihr.“

Mit Blick auf die Zeit nach dem Geschäftsl­eben ist sich Schmid sicher: „Mir wird nicht langweilig. Ich lade alte Menschen zu mir nach Hause ein oder gehe mit ihnen ins Café.“Auch lese sie gerne und schaue abends Fernsehen. Diskussion­srunden und politische Sendungen haben es ihr angetan. „Ich bin ein Nachtmensc­h, in der Frühe dafür eine Null.“Paul Winterer, dpa

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Foto: Angelika Warmuth, dpa 1955 eröffnete Therese Schmid ihr Wäschegesc­häft in Garmisch Partenkirc­hen. Im August will sie nach 62 Jahren schließen.

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