Augsburger Allgemeine (Land West)

Nach Mord steht Kirche in der Kritik

Bluttat Der Afghane, der in Arnschwang einen fünfjährig­en Buben tötete, konnte nicht abgeschobe­n werden – weil er sich taufen ließ. Wie sich das Bistum Augsburg rechtferti­gt

- VON DANIEL WIRSCHING UND ULI BACHMEIER

Augsburg/München

Nach der Bluttat in einer Asylbewerb­erunterkun­ft in Arnschwang in der Oberpfalz, bei der ein fünfjährig­er russischer Bub durch die Messeratta­cke des 41-jährigen Afghanen Mostafa J. zu Tode kam, hält die Debatte über Hintergrün­de und mögliche Konsequenz­en an. Ins Visier geraten ist dabei auch das Bistum Augsburg, das dem Mann, während er in der Justizvoll­zugsanstal­t Landsberg eine knapp sechsjähri­ge Haftstrafe wegen Brandstift­ung verbüßte, den Übertritt zum Christentu­m ermöglicht­e. Sein Bekenntnis zum christlich­en Glauben war, wie berichtet, die Voraussetz­ung dafür, vor dem Verwaltung­sgericht München ein Abschiebun­gsverbot zu erstreiten.

„Wir können keinen Taufbewerb­er ablehnen, wenn er unseren Kriterien entspricht. Ob er als Asylsuchen­der anerkannt wird oder ob er abgeschobe­n wird, das ist allein Sache des Staates und der Gerichte“, sagte Prälat Bertram Meier, der Lei- des Seelsorgea­mtes der Diözese Augsburg. Im Falle Mostafa J. habe es mindestens zwei einleitend­e und ein abschließe­ndes Gespräch des Taufbewerb­ers mit dem zuständige­n Gefängnisp­farrer der JVA Landsberg gegeben, erklärte Meier im Gespräch mit unserer Zeitung.

Dazwischen habe eine Art Religionsu­nterricht für den Taufbewerb­er stattgefun­den, in Form von Einzelgesp­rächen in der JVA, ebenfalls mit dem Gefängnisp­farrer. In diesen Gesprächen sei es anhand des Apostolisc­hen Glaubensbe­kenntnisse­s um die Grundwahrh­eiten des katholisch­en Glaubens gegangen, so Meier. Man habe etwa über das Vaterunser oder Bibeltexte gesprochen – genauso wie es vor Taufe und Firmung eines Erwachsene­n üblich sei. Der zuständige Pfarrer habe dann den Glaubensfo­rtschritt schriftlic­h zusammenge­fasst und dies zur Genehmigun­g dem Bischöflic­hen Ordinariat in Augsburg vorgelegt.

Im Falle Mostafa J. habe der damalige Generalvik­ar auf Grundlage der Akten die Erlaubnis zu Taufe und Firmung erteilt. Der Vorgang habe, sagte Meier, „sicher vier, fünf Monate gedauert“. Auf diese Weise solle sichergest­ellt werden, dass sich niemand die Taufe „erschleich­t“. Ihm sei kein einziger Fall im Bistum Augsburg bekannt, in dem die Taufe als Vorwand genutzt wurde, um nicht abgeschobe­n zu werden. Die Zahl der Muslime, die sich taufen ließen, lag Meier zufolge in den vergangene­n Jahren bistumswei­t bei weniger als zehn Personen pro Jahr.

Auch mit Blick auf Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann von der CSU sagte Meier: „Ich fände es schade, wenn das Thema zum Wahlkampft­hema werden würde.“Herrmann hatte gesagt, er erwarte von Kirchen und Gerichten, „dass sie sich sehr genau anschauen, ob einer wirklich zum Christentu­m übertritt“. Was Meier stört, sind Zuspitzung­en und Polemik bei diesem Thema. „Aus mancher Wortmeldun­g klingt für mich heraus: Die katholisch­e Kirche unterstütz­t Terroriste­n! Das ist völlig absurd. Worauf wir aber vielleicht näher schauen sollten, ist, dass meines Wissens nach Freikirche­n, pfingstler­ische oder charister matische Gruppen islamische Flüchtling­e mitunter sehr schnell taufen. Das sehe ich kritisch.“

Den Verdacht, Mostafa J. könnte nur zum Schein zum Christentu­m übergetret­en sein, hat das Verwaltung­sgericht München offenbar sehr genau geprüft. In dem 27 Seiten starken Urteil, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es unter anderem, der Afghane habe Bibel-Inhalte vorgetrage­n und auf Nachfrage trotz geringer Schulbildu­ng und Schwierigk­eiten mit der deutschen Sprache Angaben zu Glaubensin­halten und zu Abfolgen im Gottesdien­st machen können. Er habe zudem eine Passage aus dem Neuen Testament vorgetrage­n, auch wenn er, so wörtlich, „nur vier (anstelle von fünf) Büchern Moses nennen konnte“. Das Gericht sei nach einer persönlich­en Anhörung des Mannes zu der Überzeugun­g gelangt, dass seine Hinwendung zum christlich­en Glauben „nicht nur formell erfolgt ist, sondern auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellun­gswandel beruht und nicht allein aus asyltaktis­chen Gründen erfolgt ist“.

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