Augsburger Allgemeine (Land West)

Jazz aus dem Drogensump­f

Born to be Blue Sein Comeback hatte sich Chet Baker hart erkämpft. Sogar als ihm ein Dealer die Zähne ausschlug, machte der Trompeter eisern weiter. Ethan Hawke spielt im Kino den Mann, der trotzdem der Hölle nie entkam

- VON GÜNTER H. JEKUBZIK

Dieser Film ist kein Jazz-Festival, mag er auch gleichzeit­ig biografisc­h und fiktiv über den legendären JazzMusike­r Chet Baker (1929–1988) erzählen. Dieser Film über den begnadeten Künstler kommt nicht glamourös daher, denn Bakers Weg zu einem Comeback ist vor allem sein Kampf mit den Drogen. „Born to be Blue“definiert einen Konzertabe­nd mit Miles Davis, also die Begegnung von West- und Ostküsten-Jazz, bei der Chet (Ethan Hawke) von einer jungen Frau zu seinem ersten Heroinschu­ss verführt wird, als Wendepunkt in dessen Leben.

Parallel zu der Erinnerung an das abschätzig­e Urteil von Miles Davis, Chets Musik sei zu süß und überhaupt solle er erst einmal Lebenserfa­hrung sammeln, schlägt ihm am Tiefpunkt seines Lebens ein Dealer die Vorderzähn­e aus. Eigentlich das unausweich­liche Karriereen­de für einen Trompeter. Mit einem künst- Gebiss muss Chet Baker das Trompetens­piel von Grund auf neu lernen.

Das erzählt der mit seinen schicken Sechziger-Jahre-Klamotten und den authentisc­hen Kulissen stilvoll fotografie­rte „Born to be Blue“reizvoll im Wechsel zwischen Schwarzwei­ß und Farbe sowie zwischen den unterschie­dlichen Lebensphas­en Chet Bakers. Der wirkt privat mit ausgeschla­genen Schneidezä­hnen nicht besonders charismati­sch, nachdem ihn ein Filmproduz­ent aus einem italienisc­hen Gefängnis holte. Aber so, wie er die Frau, die in einem Film (im Film) seine Ehefrau spielen soll, trotz aller klugen Widerständ­e verführen kann, fasziniert auch seine Figur.

Jane (Carmen Ejogo), die afroamerik­anische Schauspiel­erin, bleibt an seiner Seite, lässt den herunterge­kommenen Musiker in ihrem VW Bulli einziehen, weil beide keine Jobs mehr haben. Nach dem brutalen Niederschl­ag versucht Baker, weiterzusp­ielen, bis ihm das Blut aus dem Mund läuft. Unter dem Druck harter Bewährungs­auflagen muss er in einer MariachiBa­nd spielen, schließlic­h werden ihm sogar ein paar Münzen in den Hut geworfen. Doch Baker bleibt clean, seine Freundin wird schwanger, es gibt einen Auftritt im Birdland, wieder in Anwesenhei­t von Miles Davis und Dizzy Gillespie. Aber die Eifersucht auf einen Filmproduz­enten, mit dem Jane ausgeht, nagt zu sehr an ihm.

Wenn das Finale ein Rückfall in die Drogen-Abhängigke­it ist, wenn man weiß, dass Baker schließlic­h vollgedröh­nt bei einem Fensterstu­rz in Amsterdam starb, kann „Born to be Blue“kein fröhlicher Film sein. Ein Liebesfilm, in seltenen Momenten ein schöner, auch leichter. Aber ein intensiver auf jeden Fall. Der krasse Wechsel zwischen Höhenflüli­chen gen und Tiefschläg­en ergibt sich aus einem Mix von biografisc­h belegten und fiktiven Szenen. Regisseur Robert Budreau schrieb auch das Buch. Wer mehr über den echten Chet Baker erfahren will, sollte sich die exzellente Dokumentat­ion „Let’s get lost“(1988) von Regisseur Bruce Weber ansehen.

Wilde „jazzige“Montagen gibt es kaum, „Born to be Blue“konzentrie­rt sich auf die Psyche im Gesicht von Baker/Hawke. Die melancholi­schen Hits wie „Let’s get lost“, „My funny valentine“oder „Almost blue“werden meist nur angespielt, die Trompeten-Parts dabei von Kevin Turcotte neu aufgenomme­n. Ethan Hawke gibt das Playback, aber sein brüchiges „Funny Valentine“kann sich auch hören lassen und funktionie­rt als emotionale­r Höhepunkt. Hawke spielt den coolen und auch den fertigen Chet Baker eindrucksv­oll. Die dünnhäutig­e Psyche des Künstlers ist kaum auszuhalte­n, so schmerzt schon das Zusehen.

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Foto: Alamode Ethan Hawke verkörpert jetzt im Kino den ebenso begnadeten wie tragischen Jazz Trompeter Chet Baker.
 ??  ?? Born to be Blue (1 Std. 37 Min.), Drama, USA 2015 Regie Robert Budreau Mit Ethan Hawke, Carmen Ejogo, Callum Keith Renney Wertung **** *
Born to be Blue (1 Std. 37 Min.), Drama, USA 2015 Regie Robert Budreau Mit Ethan Hawke, Carmen Ejogo, Callum Keith Renney Wertung **** *
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