Augsburger Allgemeine (Land West)

Bilder voller Stimmungen und Rätsel

Ausstellun­g „Zwei in der Nacht“verbindet Ruprecht von Kaufmann und Uta Reinhardt in der Galerie Noah

- VON HANS KREBS

Noch gar nicht so lange zurück liegt die Zeit, da der Gegenstand, die Figur von der Bildfläche verschwund­en, um nicht zu sagen verbannt war. Erinnerlic­h wird sie durch Antworten wie diese, die jetzt Ruprecht von Kaufmann (Münchner Jahrgang 1974) in der Augsburger Galerie Noah auf die Frage gab, warum er nach dem Abitur zum Kunststudi­um nach Los Angeles in die USA gegangen sei: Weil damals an deutschen Hochschule kaum figürlich gemalt werden konnte und durfte.

Leipzig bildete die mittlerwei­le gerühmte Ausnahme (Leipziger Schule, Neue Leipziger Schule). Und es wirkt sinnfällig, dass Ruprecht von Kaufmann an der dortigen Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) von 2012 bis 2014 eine Professur für anatomisch­es Zeichnen ausübte.

HGB-Protagonis­t Neo Rauch ist in der Galerie Noah geläufig: Sein Lehrer Arno Rink stellte hier aus, ebenso seine Frau Rosa Loy, ebenso seine letzte Meisterkla­sse. Aus deren Kreis kehrt nun Kathrin Thiele mit einer Serie autonomer Landschaft­en in die Galerie zurück. Diese gibt sich also gerne als Leipziger Schaubühne. Und auf ihr kann Ruprecht von Kaufmann mit seinen geheimnisv­ollen Szenarien, zumal seinen Nachtstück­en, sehr gut mithalten.

„Zwei in der Nacht“heißt die Ausstellun­g, wobei diese Namensgebu­ng zwei Bildtitel zusammenfü­hrt: den Titel „In der Nacht“von Ruprecht von Kaufmann – hier das mit 2,30 auf 4,20 Meter größte Gemälde – und den auf ein Menschenpa­ar bezogenen Titel „Zwei“von Uta Reinhardt. Diese 1966 in Biele- feld geborene Künstlerin war schon 2008 und 2010 bei Gruppenaus­stellungen der Galerie Noah zu sehen. Nun tritt sie mit ihren pastosen und lavierende­n Ölbildern deutlicher in Erscheinun­g. Und wieder gibt es ein übergreife­ndes Seherlebni­s, denn Uta Reinhardt lernte an der Braunschwe­iger Kunsthochs­chule bei Hermann Albert, dem die Galerie Noah schon vor etlichen Jahren eine umfassende Einzelscha­u gewidmet hatte. Seine massive Form- und Farbgebung hat Uta Reinhardt ins Blasse und Zarte ausgefilte­rt. Mit Ruprecht von Kaufmann verbindet sie das Erzähleris­che ihrer Malerei, die reduzierte Farbpalett­e, das Rätsel der Bilder, ein gewisses Unbehagen bei deren Betrachtun­g. „Das Unheimlich­e“hieß 2009 eine Gruppenaus­stellung in Kaufmanns Wohnort Berlin mit seiner Beteiligun­g. Unheimlich­es stellt sich jetzt auch in Augsburg ein – sei es beim „Trapezakt“durch den Blick in die Tiefe, sei es bei „In der Nacht“durch das breite Panorama eines gruseligen Schiffsdec­ks. Was passiert dort mit der irrlichter­nden Gestalt im Steuerhaus? Was mit dem toten Hai in der Ladeluke? Was mit dem in der Nachgeburt verfangene­n Fohlen? Was mit dem seltsamen Reiter, der vom Pferderück­en in den Nachthimme­l mit dem einzigen (gelben) Farbflecke­n des Bildes starrt? Er möchte dessen Zauber nicht zerreden, meint Kaufmann. Es sei besser, der Betrachter erobere sich das Bild selbst. Eine „Wagnersche Stimmung“sei unverkennb­ar. Und er verhehle nicht, dass er die Melancholi­e der deutschen Romantik im Blut habe.

Uta Reinhardt konnte bei der Vernissage nicht zu ihren Bildern befragt werden. (Sie hält sich als Stipendiat­in in den USA auf.) Dabei gelten ihre Arbeiten als eine fragende Malerei und deren Figuren als Teil einer symbolisch­en Sprache, die sich schwer erschließt. Zum Beispiel „Flamingo“: Auf diesem großformat­igen Gemälde schauen zwei Menschen von der Höhe eines Balkons angestreng­t hinab, der eine auf die Brüstung gestützt, der andere mit dem Fernrohr auf einer Leiter stehend. Was sie sehen, bleibt dem Bildbetrac­hter verborgen. Nach Meinung eines Interprete­n grenzen solche Mal-Akte Uta Reinhardts an „unterlasse­ne Hilfeleist­ung“.

Es ist schon seltsam: Der so lange dominanten abstrakten Malerei wurden solche „Sanitärdie­nste“nie abverlangt. Warum dann solchen Stimmungsb­ildern, die real erscheinen und das Reale traumhaft, magisch, imaginär in Zweifel ziehen, wie das bei Uta Reinhardt und Ruprecht von Kaufmann der Fall ist? Wie Letzterer sagte: Der Ausstellun­gsbesucher muss selbst die Antwort finden – sie muss ja nicht so unmissvers­tändlich sein wie die Slogans auf aktuellen T-Shirts. O

von Ruprecht von Kaufmann und Uta Reinhardt zeigt die Galerie Noah (Glaspalast) bis 23. Juli (Di Do 11 15 Uhr, Fr So 11 18 Uhr). Begleitend sind Landschaft­en von Kathrin Thiele im Studio der Galerie zu sehen.

„Zwei in der Nacht“

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Foto: hks Ruprecht von Kaufmann posiert vor dem größten Bild in der Galerie Noah: „In der Nacht“verbindet sich mit dem Bildtitel „Zwei“von Uta Reinhardt zur Namensgebu­ng dieser Ausstellun­g.

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