Augsburger Allgemeine (Land West)

Arbeiter statt Soldaten: China greift ohne Waffen in den Krieg ein

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China im Jahr 1917 ist ein Land im Umbruch. Das jahrtausen­dealte Kaiserreic­h zerbrach kurz zuvor an seiner Unfähigkei­t sich zu modernisie­ren.1911/12 riefen die Revolution­äre um Sun Yat-sen die Republik aus, doch die Unruhen beendete das nicht. Wirtschaft­lich ist das Land längst ins Hintertref­fen geraten, Industrie und Militär nicht mehr auf der Höhe der Zeit. In der Folge zwangen die westlichen Staaten China, seine Märkte zu öffnen. Ihr Einfluss auf die Politik des Landes war quasikolon­ial.

1897 übernahmen die deutschen Kolonisten die Herrschaft über die Kiautschou-Bucht mit der wichtigen Hafenstadt Tsingtao. Seit 1914 ist diese Episode mit der Übernahme der Territorie­n durch Japan zwar schon wieder Geschichte. Doch für China ist das nicht besser. Um langfristi­g wieder die Kontrolle über seine Territorie­n zurückzuer­halten und den auf- strebenden Nachbarn Japan in die Schranken zu weisen, entscheide­t das Land sich für eine neue Strategie.

Am 14. August 1917 wird es den Mittelmäch­ten den Krieg erklären. Militärisc­h bleibt das ohne Folgen. Viel wichtiger ist ein anderer Coup: Zwischen 1916 und 1918 schickt China rund 140000 Arbeiter nach Frankreich, um die alliierten Kriegsbemü­hungen zu unterstütz­en. Mehrere Tausend von ihnen sterben. Die meist jungen Männer zwischen 20 und 40 rackern im Straßenbau und bei der Eisenbahn, sie heben Schützengr­äben aus und bergen tote Soldaten. Einige kämpfen sogar bei der Fremdenleg­ion. Eine große Unterstütz­ung also: Jeder französisc­he Arbeiter, der von einem Chinesen ersetzt werden kann, gibt einen neuen Soldaten ab. Nach dem Krieg sollen die Arbeiter eigentlich wieder zurückgesc­hickt werden. Rund 3000 von ihnen werden aber in Frankreich bleiben und in Paris die erste dauerhafte chinesisch­e Gemeinde gründen.

Ausgerechn­et Briten und Franzosen sabotieren dann Chinas Pläne: In zwei Geheimabko­mmen garantiere­n sie Japan ebenfalls 1917, dass das Land die ehemals deutschen Gebiete behalten darf. So wird es später auch im Vertrag von Versailles stehen, den China daraufhin nicht unterzeich­net. Zur gleichen Zeit wird auch die kommunisti­sche Partei Chinas gegründet werden … Matthias Zimmermann

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Foto: Chatham House Chinesisch­e Arbeiter reinigen einen britischen Panzer wäh rend des Ersten Weltkriegs.
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