Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum Hinderniss­e im Job kreativ machen

Karriere Wer eine Aufgabe mit vielen Beschränku­ngen schaffen muss, sollte nicht aufgeben, sondern Mut fassen

- VON ANJA FÖRSTER rat@augsburger allgemeine.de

Ich sitze in verschiede­nen Jurys bei Wettbewerb­en. Es geht etwa darum, die besten Arbeitgebe­r oder die besten Internatio­nalisierer im Mittelstan­d auszuzeich­nen. Was mir dabei auffällt, ist, dass oft die besten Unternehme­n die größten Herausford­erungen zu überwinden haben. Also wenig Kapital oder wenige Mitarbeite­r haben. Die Gewinner sind oft nicht die Unternehme­n mit den besten, sondern mit den herausford­ernsten Rahmenbedi­ngungen. Eigentlich unlogisch. Müssten nicht die Unternehme­n mit den einfachere­n Bedingunge­n im Vorteil sein?

Das erinnert mich an den Architekte­n Frank Gehry, den ich in meinem Buch „Hört auf zu arbeiten!“porträtier­t habe. Er sagte auf die Frage, was ihn antreibe: „Die Einschränk­ungen und Begrenzung­en! Als Künstler unterliege ich Zwängen, aber innerhalb dieser Grenzen habe ich etwa 15 Prozent Freiheit.“

Aber stellen Sie sich vor, Sie übernehmen eine Aufgabe und 85 Prozent der Faktoren sind vorbestimm­t. Für viele ist das wie eine rote Ampel. Sie denken: Was kann ich schon bewegen bei diesen Einschränk­ungen? Kreativitä­t braucht doch Fülle, nicht Mangel!

Dennoch sind fast alle kreativen Meisterlei­stungen trotz enormer Einschränk­ungen erbracht worden. Nehmen wir den David von Michelange­lo: ein herausrage­ndes Kunstwerk. Bevor Michelange­lo die Aufgabe bekam, die Skulptur anzufertig­en, waren schon zwei bekannte Bildhauer daran gescheiter­t. Und Michelange­lo wurde es noch schwerer gemacht. Er bekam zwei Jahre Zeit, musste die Perspektiv­e an den Blickwinke­l anpassen und seine Vorgänger hatten den bereitgest­ellten Marmorbloc­k übel verhunzt. Für den linken Unterarm war kein Steinvolum­en mehr vorhanden.

Michelange­lo löste alle Probleme. Zum Beispiel ließ er seinen David den linken Arm anwinkeln, für eine andere Armhaltung wäre kein Stein da gewesen. Michelange­lo – davon bin ich überzeugt – hat nicht trotz der Einschränk­ungen sein Meisterwer­k geschaffen. Sondern deswegen. Gerade Begrenzung­en erzeugen Raum für Kreativitä­t. Es gibt nur drei Grundfarbe­n. Aber unendliche Möglichkei­ten, sie zu kombiniere­n. Die Einengung beschneide­t nicht die Lösungen, sondern fokussiert uns und gibt uns einen Rahmen. Er macht es uns möglich, unser Bestes zu geben.

Anja Förster

ist Unterneh merin, Vortragsre­dnerin und Autorin. Zuletzt ist von ihr das Buch „Hört auf zu arbeiten“erschienen.

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