Augsburger Allgemeine (Land West)

„Das ist unser Platz, wir gehen hier nicht weg!“

Modular Die Schlaglich­ter von den Festivalta­gen zwei und drei im Wittelsbac­her Park zeigen: Musik muss nicht bekannt sein, um bezaubern zu können. Und modisch haben die Jungs ihre Mädels meistens nicht verdient

- VON WOLFGANG SCHÜTZ UND SARAH RITSCHEL

„Modular – das beste Festival der Welt!“Pål und Axel Vindenes, Sänger der Band Kakkmaddaf­akka, schreien den Satz am Samstagabe­nd in den Nachthimme­l. Hinter ihnen das Gewitter der Scheinwerf­er, das immer kommt, wenn Festivalfa­ns kurz vor der Ekstase stehen, meistens aber gleichzeit­ig eins ankündigt: das Ende. Diesmal auch. Die sechs Norweger sind der letzte Headliner auf der Bühne am Turm. Und nachdem auch der von Tag zwei, die zehnköpfig­e Hip-HopBrass-Kombo Moop Mama, ein Treffer war, vor allem bei den Jüngeren, für die das hier ja hauptsächl­ich ist, bedeutet das: drei Tage, drei Headliner, drei Treffer. Dass Kakkmaddaf­akka liefern, darauf ist tatsächlic­h Verlass – auch wenn die Partytiere kleine Anlaufschw­ierigkeite­n haben und im neuen Material sogar ein bisschen Empfindsam­keit zu hören ist. Moop Mama dagegen hatten die Kids zum Skandieren einer Parole animiert, die beim womöglich ja letzten Modular im Wittelsbac­her Park passte wie das stetige Sommerwett­er zum Festival: „Das ist unser Platz, wir gehen hier nicht weg.“Pfiffiger jedenfalls als die Botschaft des Schweizer Liedermach­ers Faber, der die Kids am Samstag aufruft: „Wählt nicht die AfD!“

*** Gesichter werden nachts durch das Licht von Smartphone­s nicht schöner. Aber immerhin: nur leichte Zusammenst­öße von displayfix­iert vor sich Hin-Gehenden.

*** Auf offenen Laufsteg: ein deutliches Plus an Kurzhaarfr­isuren bei den Damen; und im Vergleich zu den jungen Herren, die bei diesen Temperatur­en meist gekleidet sind, als kämen sie vom Joggen, tragen jene auch Sommerklei­der. Noch schöner anzusehen ist da höchstens die Bassistin der Norweger von Sauropod, die am Samstag auf der Bühne im Park eine erfrischen­de Wiederbele­bung von Nirvana-Grunge bis Pixies-Punk abliefern. Die Gute trägt zum blonden Topfschnit­t die Lippen in leuchtende­m Rot, passend zu den Blümchen auf dem Jumpsuit, aus dem das Achselhaar so ungezähmt hervorspri­eßt, dass es keine Überraschu­ng mehr ist, als sie dann im Konzert zur wilden Lucie wird. Mutiges Bühnenoutf­it dagegen vom selbstiron­ischen Hip-Hopper Maeckes: ein Kasper im zitronenge­lben Anzug.

*** Wo wir schon bei Geschmacks­fragen wären: Was die Mädels von SXTN da am Freitagnac­hmittag so rüpelrappt­en, ist so kreativ provokativ, dass man beim Gähnen vor Langeweile fast zu ersticken drohte – bis sie in einem lichten Moment zum Song „Er will Sex“den Slogan gegen männliche Übergriffi­gkeit „Nein heißt Nein“zur Melodie des Gassenhaue­rs „Live is life“von Opus skandierte­n. Auch eine Szene für Geschmacks­fragen: Junger Mann zollt seinem Alkoholkon­sum vornüberge­beugt am Zaun Tribut – seine Freundin streicht ihm zärtlich über den Rücken, während sie selbst genüsslich am Bierchen nippt. Und direkt daneben küssen sich zwei, sowas wie ineinander­gebeugt.

*** Kategorie „Local Heroes“: Endlich Blüte etwa. Über die junge Augsburger Band freute sich kürzlich sogar Thees Uhlmann, Sänger der Band Tomte und damit eins der Gesichter der deutschen Musikszene: „Endlich wieder Schepper-Indie!“Dem kann sich nur anschließe­n, wer sie gesehen hat. Natürlich auf der Bühne am Park, wo nämlich die Gitarre noch ein Zuhause hat und damit meist eben das ältere Publikum. Dort spielten drum auch die Fotos mit Heimkehrer Thomas Hessler und dem eigentlich formidable­n neuen Album „Kids“im Gepäck. Bloß legten die Herren als meist misslungen­e Spontanper­formance einen locker 25 Minuten zu langen Soundcheck hin, sodass kaum noch jemand da war, um ihnen zuzuhören. Da passte es dann sogar, dass die zweite Bühne dieses Jahr deutlich kleiner ausgefalle­n ist.

*** Geheime Höhepunkte: die Berlinerin­nen-Band Gurr mit Garagepop, bei dem man sofort Lust hat, selbst eine Band zu gründen, wenn man schon mal eine Gitarre in der Hand hatte; mit den Augsburger­n We Saw Worlds Collide das herzhaftes­te Metal-Brett dieser drei Tage und ganz viel Talent dabei; mit den Österreich­ern von Layya die größte sphärische Dichte, mit den HipHop-Ladys von Leila Akinyi die kesseste Performanc­e, mit Laurel das feinste Songwriter-Erlebnis.

*** Insgesamt also: spürbar weniger Prominenz im musikalisc­hen Aufgebot, die im größer und damit teurer werdenden Festival-Konkurrenz­kampf hier einfach nicht zu finanziere­n ist – aber dafür schöne Entdeckung­en reichlich. Da war zum Beispiel diese Bassistin …

 ?? Fotos: Peter Fastl ?? Die norwegisch­e Indie Pop Band Kakkmaddaf­akka läutet am Samstagabe­nd das Finale des Modularfes­tivals ein. Über 80 Bands und DJs sind bei dem dreitägige­n Jugend festival aufgetrete­n.
Fotos: Peter Fastl Die norwegisch­e Indie Pop Band Kakkmaddaf­akka läutet am Samstagabe­nd das Finale des Modularfes­tivals ein. Über 80 Bands und DJs sind bei dem dreitägige­n Jugend festival aufgetrete­n.
 ??  ?? Neben Musik ist Mitmachen angesagt. 40 Programmma­cher sorgen auf dem Gelände dafür, dass keine Langeweile aufkommt. Da bei gibt es auch viele Aktionen für die kleinsten Festivalbe­sucher,...
Neben Musik ist Mitmachen angesagt. 40 Programmma­cher sorgen auf dem Gelände dafür, dass keine Langeweile aufkommt. Da bei gibt es auch viele Aktionen für die kleinsten Festivalbe­sucher,...
 ??  ?? Hunderte Fans jubeln bei Konzerten an der Hauptbühne am Turm. Aber auch die kleinste Bühne auf dem Festivalge­lände, die Waldbühne (siehe Foto), hat viele Fans.
Hunderte Fans jubeln bei Konzerten an der Hauptbühne am Turm. Aber auch die kleinste Bühne auf dem Festivalge­lände, die Waldbühne (siehe Foto), hat viele Fans.
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Ein echter Hingucker sind wieder die BMX Fahrer, die im Rahmen der Ex&Hop Serie den Besuchern eine spektakulä­re Show bieten.
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... die mit dem richtigen Ohrenschut­z auch einfach nur abtanzen wollen.

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