Augsburger Allgemeine (Land West)

Drunter und drüber bei Uber

Verkehr Bei dem Unternehme­n herrscht Chaos. Das hat nun Folgen für den Chef Travis Kalanick

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg

Er hatte so große Ziele. Er wollte den Autoverkeh­r, wie wir ihn kennen, abschaffen, experiment­ierte mit selbst fahrenden, ja fliegenden Autos. Doch nun ist für UberChef und Mitgründer Travis Kalanick erst einmal alles vorbei. Nachdem sich die Negativ-Schlagzeil­en über Uber in den vergangene­n Monaten gehäuft hatten, haben fünf große Investoren ihn zu einem Rücktritt gedrängt, schreibt die New York Times. Nach einer langen Diskussion willigte der 40-Jährige ein und trat zurück. Er liebe Uber mehr als alles andere auf der Welt, teilte er mit. „In diesem schwierige­n Moment in meinem persönlich­en Leben habe ich die Forderung der Investoren akzeptiert, beiseitezu­treten, damit Uber wieder zum Aufbau zurückkehr­en kann.“

Im Jahr 2009 hatte Kalanick zusammen mit Garrett Camp die Idee, den Dienst zu gründen. Statt wie bisher ein Taxi zu rufen oder zu suchen, werden Nutzer nach einem Klick in einer App am eigenen Standort abgeholt. Aber nicht von einem lizenziert­en Taxi-Fahrer, sondern von Privat-Personen in deren Auto. Bezahlt wird ebenfalls per Die Sätze liegen meist niedriger als bei Taxi-Fahrten. Uber behält eine Provision. Die Idee schlug ein. Zuerst in den USA, dann weltweit. Mittlerwei­le gibt es den Service nach Unternehme­nsangaben in 613 Städten. Zuletzt wurde das Unternehme­n mit 69 Milliarden Dollar bewertet und sammelte Investoren­Gelder in Höhe von 15 Milliarden Dollar ein – eine enorme Summe.

Den Erfolg hat das Unternehme­n vor allem Travis Kalanick zu verdanken. Zu seiner Strategie gehört es, sich über Regeln hinwegzuse­tzen, ein Nein nicht zu akzeptiere­n. Das zeigt sich am Beispiel von Deutschlan­d. Um hierzuland­e Menschen gegen Bezahlung von A nach B zu fahren, braucht man einen Personenbe­förderungs­schein. Das kümmerte Kalanick wenig. Er brachte Uber trotzdem nach Deutschlan­d. Letztendli­ch wurde es zumindest in dieser Form verboten.

Sein zielstrebi­ges – manche sagen aggressive­s – Verhalten machte ihn zu einer der reichsten Personen der USA. Das Forbes-Magazin schätzt sein Vermögen auf 6,3 Milliarden Dollar. Und es brachte dem Unternehme­n einen zweifelhaf­ten Ruf ein. Darüber ist Kalanick nun gestolpert. Denn die Investoren fürchten um ihre Milliarden-Einlagen.

Die seltsame Unternehme­nskultur wurde öffentlich, als die Software-Entwickler­in Susan Fowler in einem Blogeintra­g berichtete, wie sie an ihrem ersten Arbeitstag von ihrem Abteilungs­leiter sexuell belästigt wurde. Er schrieb ihr im Firmenchat, dass er auf der Suche nach einer Sex-Partnerin sei. Sie meldete den Vorfall der Personalab­teilung. Nichts passierte. Stattdesse­n teilte man ihr mit, der Mann sei eine TopKraft, da müsse man ein Auge zuApp. drücken. Nachdem ihr Fall bekannt geworden war, erzählten andere Mitarbeite­rinnen ähnliche Geschichte­n. Uber leitete Untersuchu­ngen ein, die der ehemalige Justizmini­ster Eric Holder leitete. Vergangene Woche legte er einen Bericht vor. Das Ergebnis: 20 Mitarbeite­r mussten gehen. Und der Verwaltung­srat legte Travis Kalanick nahe, die Verantwort­ung für das Unternehme­n abzugeben, um einen Neustart zu ermögliche­n.

Kalanick hatte schon im März angekündig­t, sich Hilfe bei der Firmenleit­ung zu holen. Damals war ein Video im Internet aufgetauch­t, das zeigt, wie er einen Uber-Fahrer beleidigte. Kalanick entschuldi­gte sich und sagte: „Es ist klar, dass dieses Video eine Reflexion meiner selbst ist – und die Kritik erinnert mich stark daran, dass ich mich als Führungskr­aft fundamenta­l ändern muss.“Doch es fand sich niemand für den Posten. Deshalb ist man in der Branche nun gespannt, wer Kalanick nachfolgen wird. Dass es das Unternehme­n mit dem Neuanfang ernst meint, zeigte ein Blog-Eintrag von gestern. Darin kündigte Uber unter anderem an, dass Fahrer nun ein Trinkgeld erhalten können – Kalanick hatte das stets abgelehnt.

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Foto: Will Oliver, dpa Travis Kalanick war das Gesicht von Uber, aber auch umstritten.

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