Augsburger Allgemeine (Land West)
Eingesperrt im Krieg
Innen Leben Die gewalttätigen Konflikte in Syrien wirken bis weit in die Familien hinein
Eine Wohnung. Eine Familie. Ein paar Gäste. Ganz normal, doch hier ist die Tür verrammelt, von draußen hört man schweres Artilleriefeuer, der Blick durchs Fenster zeigt Verwüstung und Tod. Die Wohnung in Damaskus und mitten im syrischen Bürgerkrieg sieht aus wie eine ganz normale, wie sie auch in Deutschland ähnlich eingerichtet wäre. Nur gibt es kaum fließend Wasser und nur selten Strom.
Die arabisch-israelische StarSchauspielerin Hiam Abbass („Lemon Tree“, „Free Zone“, „Ein Sommer in New York“) verkörpert die schwer beladene Hauptrolle von Oum Yazan, die den Unterschlupf für Familie und Nachbarn am Laufen hält. Ein junges Paar mit Baby, der Opa, Hiams Kinder, die Haushälterin Delhani, der Freund einer der Töchter sind die letzten Menschen im Haus. Ein Bewohner will die Flucht aus dem Land vorbereiten, wird aber schon auf dem Parkplatz erschossen. Seiner Frau soll dies nicht gesagt werden, weil jeder, der einen Angeschossenen retten will, im Visier der Scharfschützen landet. Das Schweigen legt sich bleiern über die schon schwere Stimmung in der überfüllten Wohnung.
Der belgische Regisseur Philippe Van Leeuw inszenierte ein Kammerspiel, bei dem das gewalttätige Außen des Bürgerkrieges ungemein intensiv nach innen dringt. Bei schwereren Einschlägen flüchten sich alle in einen Innenraum ohne Fenster. Doch Räuber im Haus machen Bedrohung und den gesetzlosen Zustand ganz konkret. Sie vergewaltigen die Nachbarin, die Familie hält sich nebenan versteckt, bekommt alles mit und schreitet doch nicht ein. Vor allem diese Wendung macht aus den versammelten Opfern eine ebenso grausame Gemeinschaft wie die Bürgerkriegs-Gesellschaft draußen vor der Tür. Oder vielleicht wie die Weltgemeinschaft, die auch nur zuschaut. »
Innen Leben (1 Std. 26 Min.), Spielfilm, Belgien/Frankreich/Libanon 2017
Wertung **** *