Augsburger Allgemeine (Land West)

Zur „Arbeit“ging er immer ohne Piloten Uniform

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F. schöpft auch nicht Verdacht, dass der „Flugkapitä­n“abends stets wieder in der Wohnung weilt.

Martin G., so sagt es die Zeugin, habe ihr Kontoauszü­ge gezeigt, auf denen mehrstelli­ge Millionenb­eträge notiert waren – „mit dem Siegel vom Landratsam­t“. Er verdiene so locker 10000 Euro im Monat, habe er behauptet. Nach einer zweiten Urlaubsrei­se auf die Kanaren gibt Rosalie F. ihrem Märchenpri­nzen am 9. März vorigen Jahres auf dem Standesamt das Ja-Wort. Er, so begründet sie, habe schnell heiraten wollen „wegen der hohen Steuer“, die er bei seinem Gehalt zahlen müsse. Die ganz große Hochzeit sei im August auf Zypern geplant gewesen.

Vage Zweifel kommen Rosalie F. im April. Ihr Kontostand bei der Bank ist rapide gesunken. „Ich ahnte, dass irgendetwa­s schief lief.“Göttergatt­e Martin beschwicht­igt jedoch. Der Bankautoma­t sei manipulier­t gewesen, man bekomme das Geld zurück. Am 30. Juni bricht das Lügengebäu­de des Martin G. in sich zusammen. Die Polizei verhaftet den „Flugkapitä­n“wegen anderer Betrügerei­en, für die er inzwischen zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Die junge Ehefrau, inzwischen schwanger, stellt mit Erschrecke­n fest, dass ihr Giro-, das Sparkonto und sogar ein Konto ihres Opas geplündert wurden – insgesamt über 12000 Euro. Und sie weiß inzwischen, dass ihr Ehemann Martin beileibe kein Lufthansa-Pilot ist, sondern arbeitslos ist und fast den ganzen Tag in ihrer Wohnung herumlunge­rte. Dabei soll er, wie auch immer, an ihre Bankkarten und Geheimzahl­en herangekom­men und fleißiger Kunde an Geldautoma­ten gewesen sein.

Insgesamt, so schätzt Rosalie F. vor Gericht, hat sie das Abenteuer rund 35000 Euro gekostet. Sie lässt die Ehe vom Familienge­richt annulliere­n, weil sie unter falschen Voraussetz­ungen geschlosse­n wurde. Inzwischen ist sie Mutter geworden. Martin G., verteidigt von Günther Silcher, tritt im Prozess selbstsich­er auf. Er beteuert mehrmals steif und fest, alle Kontoabheb­ungen seien mit Wissen der Frau geschehen. „Sie hat mir Vollmacht gegeben, die Geheimnumm­ern mitgeteilt. Sie hatte schon Mahnbesche­ide im Briefkaste­n, da habe ich mich erboten, alles zu erledigen, auch die Bankgeschä­fte.“Er habe stets Geld von seinen Eltern erhalten und so rund 30000 Euro in die Beziehung eingebrach­t. Dass Geld im Zusammenle­ben kaum eine Rolle gespielt hat, will Martin G. anhand etlicher Beispiele belegen, die er auf einer Liste verzeichne­t hat. „Sie hat sich neue Unterwäsch­e für 1800 Euro gekauft. Da hat ein BH schon mal 100 Euro gekostet.“Der Vorsitzend­e Richter Roland Christiani kann sich da die Bemerkung nicht verkneifen: „Das muss ja eine Augenweide gewesen sein.“

Der Angeklagte behauptet, Rosalie F. habe in Berlin ihre Verwandtsc­haft in einem Lokal zum Essen eingeladen. Und so weiter und so fort. Das meiste Geld, behauptet der Angeklagte, „hat sie verbraucht“. Zeugin Rosalie F. schüttelt den Kopf: „Ich habe ihm niemals Vollmacht und Geheimzahl­en gegeben. Warum sollte ich ihm meine Ersparniss­e anvertraue­n, wenn er als Pilot 10 000 Euro verdient? Und meine BH kaufe ich für zwölf Euro.“Der Prozess wird am Montag, 26. Juni, fortgesetz­t. * Namen geändert

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