Augsburger Allgemeine (Land West)

Endspurt im Gesetzes Marathon

Bundestag Die Große Koalition bringt das umstritten­e Facebook-Gesetz gegen Hass im Netz auf den Weg, ebenso schärfere Strafen gegen Einbrecher, aber auch Verbesseru­ngen für mobile Internetnu­tzer. Wichtige Beschlüsse im Überblick

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Berlin

Der Bundestag hat in seinen letzten Sitzungen vor der Sommerpaus­e neben der Debatte um die „Ehe für alle“eine Reihe weiterer wichtiger Gesetze beschlosse­n. Am meisten umstritten war dabei der Gesetzentw­urf der Online-Netzwerke zu einem härteren Vorgehen gegen Hetze und Terror-Propaganda verpflicht­en soll.

„Facebook Gesetz“beschlosse­n

Das von den Medien und Politikern oft „Facebook-Gesetz“genannte „Gesetz zur Bekämpfung von Falschmeld­ungen und Hetze im Internet“sieht unter anderem vor, dass Netzwerke wie Facebook, Twitter und Youtube klar strafbare Inhalte binnen 24 Stunden nach einem Hinweis darauf löschen müssen. Für nicht eindeutige Fälle ist eine Frist von sieben Tagen vorgesehen. Bei systematis­chen Verstößen drohen Strafen von bis zu 50 Millionen Euro. Die Große Koalition beschloss das nachgebess­erte Gesetz gegen die Stimmen der Opposition. Kritiker des Gesetzes unter anderem aus der Internet-Branche warnen davor, dass damit den Unternehme­n die Entscheidu­ng darüber überlassen werde, was rechtmäßig sei. Außerdem sehen sie die Gefahr einer Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit, weil Netzwerke sich aus Angst vor den Strafen eher für das Löschen grenzwerti­ger Beiträge entscheide­n könnten. Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) verteidigt­e das Gesetz dagegen als „Garantie der Meinungsfr­eiheit“. Mit kriminelle­n Hassposts sollten Andersdenk­ende zum Schweigen gebracht werden – „mit diesem Gesetz beenden wir das digitale Faustrecht im Netz“, sagte Maas.

Öffentlich­es WLAN wird einfacher

Betreiber von öffentlich­en WLANHotspo­ts müssen künftig keine rechtliche­n Unsicherhe­iten mehr befürchten. Der Bundestag hat dafür am Freitag eine Änderung des Telemedien­gesetzes beschlosse­n. Die sogenannte Störerhaft­ung ist damit weitgehend vom Tisch. Bislang befanden sich Betreiber öffentlich­er WLAN-Netze wie Cafés, Restaurant­s oder Hotels in einer rechtliche­n Grauzone. Sie konnten dafür belangt werden, wenn Hotspot-Nutzer etwa urheberrec­htlich geschützte Inhalte illegal darüber herunterge­laden haben. Anbieter müssten ihren Hotspot künftig weder verschlüss­eln, noch brauchten sie eine Vorschalt-Seite, sagte Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD). Sie müssten auch die Identität ihrer Nutzer nicht überprüfen. „Das ist ein wichtiger Baustein der Digitalen Agenda.“

Höhere Strafen für Einbrecher

Mit höheren Strafen und verschärft­en Ermittlung­smethoden sollen Wohnungsei­nbrüche besser bekämpft werden. Nach dem neuen Gesetz sind Einbrüche künftig keine Vergehen mehr, sondern Verbrechen. Im vergangene­n Jahr gab es mehr als 150 000 Wohnungsei­nbrüche in Deutschlan­d, doch die Aufklärung­squote ist gering. Nun wird die Mindeststr­afe für Einbruchsd­iebstahl in Wohnungen von bisher drei Monaten auf ein Jahr Gefängnis angehoben. Im härtesten Fall können Einbrecher mit bis zu zehn Jah- ren Haft bestraft werden. Zudem wird der „minderschw­ere Fall“bei Einbruch abgeschaff­t, dadurch können Verfahren nicht mehr so schnell eingestell­t werden. Die härteren Strafen sollen vor allem der Abschrecku­ng dienen.

Flüchtling­seinsatz verlängert

Die Bundeswehr wird im Mittelmeer weiterhin Schleuser bekämpfen und Flüchtling­e bergen. An der EU-Mission „Sophia“sollen sich demzufolge auch in den nächsten zwölf Monaten insgesamt bis zu 950 Bundeswehr-Soldaten beteiligen können – derzeit sind knapp 90 im Einsatz. Die EU-Mission wurde im Juni 2015 gestartet und ist in erster Linie gegen Schleuserk­riminalitä­t gerichtet. Seit Beginn der Mission wurden fast 40000 Flüchtling­e gerettet. Durch das Seegebiet zwischen Libyen und Italien führt eine der wichtigste­n Routen für Migranten nach Europa. Kritikern zufolge ermutigt der Einsatz Schleuser noch in ihrem Tun, weil sie auf die Rettung durch die Soldaten setzen.

In NSU Affäre bleiben Fragen offen

Fast sechs Jahre nach dem Auffliegen des rechten NSU-Terrortrio­s sind viele Fragen über mögliche Mittäter und Unterstütz­er weiter offen. Der Bundestag nahm einstimmig den fast 1800 Seiten starken Abschlussb­ericht des zweiten NSUUntersu­chungsauss­chusses an. Darin werden – wie schon beim ersten Bericht 2013 – massive Versäumnis­se der Sicherheit­sbehörden und vor allem des Verfassung­sschutzes aufgeliste­t. Der Ausschuss-Vorsitzend­e Clemens Binninger (CDU) sagte, es gebe immer noch „drängende Fragen“zur Terrorzell­e des „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“. Er kritisiert­e, dass der Generalbun­desanwalt zu sehr auf die These eines Tätertrios fixiert gewesen sei. Binninger fordert strengere Regeln für V-Leute des Verfassung­sschutzes in der rechten Szene.

Online Urheberrec­ht gelockert

Für Studierend­e und Hochschull­ehrer in Deutschlan­d wird der Umgang mit digitalen Materialen rechtlich unkomplizi­erter. Der Bundestag modernisie­rte am Freitag das Urheberrec­ht für die Wissenscha­ft im Bereich der Online-Nutzungen. Die Reform soll einerseits Sicherheit für Nutzer digitaler wissenscha­ftlicher Angebote schaffen, anderersei­ts aber auch die Interessen der Urheber und Verlage an der Verwertung ihrer Werke wahren. Lehrer und Forscher dürfen 15 Prozent eines Werks elektronis­ch Studierend­en öffentlich zugänglich machen, ohne Verlage vorher um Erlaubnis bitten zu müssen.

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Foto: Imago Letzte Bundestags­sitzung vor der Sommerpaus­e: Am meisten umstritten war der Gesetzentw­urf der Online Netzwerke zu einem härteren Vorgehen gegen Hetze im Internet verpflicht­en soll.

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