Augsburger Allgemeine (Land West)

„Es ist an der Zeit, politisch zu werden“

Intendant Martin Kusej verlässt das Münchner Residenzth­eater und wechselt 2019 an das Burgtheate­r Wien. Er will die berühmte Bühne auf österreich­ische Dramatik ausrichten. Und er will sich an ihr nicht finanziell bereichern

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien

„Ich kann nicht anders. Ich bin halt Österreich­er und deshalb ist es ein besonderer Job, wenn ich jetzt Burgtheate­rdirektor werde.“So kommentier­t der kantige Kärntner Martin Kusej, 56, seinen Wechsel 2019 vom Münchner Residenzth­eater ans Wiener Burgtheate­r. 2006 hatte der österreich­ische Staat den Deutschen Matthias Hartmann als Nachfolger von Direktor Klaus Bachler vorgezogen. Damals ging der Regisseur Martin Kusej verletzt nach München und fand dort „paradiesis­che Zustände“am Resi.

Nun will er das Burgtheate­r auf „österreich­ische Dramatik“ausrichten. Es soll „identitäts­stiftend für ein Land wie Österreich“werden. „Es ist ganz klar, dass ich eine Haltung gegen die FPÖ und jeden rechten Populismus habe“, bekennt der Kärntner-Slowene. „Ich bin jemand, der Klartext redet. Es ist an der Zeit, wieder politisch zu werden.“Bei der Freiheitli­chen Partei Österreich­s und bei der deutschen AfD seien „im Hintergrun­d finstere Kräfte am Werk“, sagt er. Falls die FPÖ im Herbst in der Regierung sein werde, sei er bereit „zu reden“.

Die Digitalisi­erung betrachtet Kusej als eine Gefahr fürs Theater. Dort müsse die „analoge Welt und der komplexe Mensch aus Fleisch und Blut“gezeigt werden. „Irgendwann werden Menschen für viel Geld Karten kaufen, weil man auf der Bühne noch Menschen wirklich schwitzen sieht“, meint er.

Der katholisch sozialisie­rte Sohn eines Volksschul­direktors will ein bis zwei Produktion­en pro Saison selbst inszeniere­n. Dabei soll das Burgtheate­r nicht allein deutschspr­achig bleiben. In der multikultu­rellen Gesellscha­ft Österreich­s will er auch andere Sprachen auf die Bühne bringen, um neue Zuschauer zu gewinnen. „Es muss eine Art von Theater werden, das jenseits der Sprachbarr­iere funktionie­rt“, so Kusej.

Zuletzt gingen die Besucherza­hlen der Burg unter der Übergangsd­irektorin Karin Bergmann zurück. Sie hatte die Direktion 2014 übernommen, nachdem Matthias Hartmann aufgrund eines Finanzskan­dals entlassen worden war. Seit die- ser Zeit herrscht ein rigider Sparkurs am Theater.

Gegen Hartmann, der jetzt unter anderem für Servus TV arbeitet, und gegen die kaufmännis­che Geschäftsf­ührerin Silvia Stantejski hat die Korruption­sstaatsanw­altschaft Wien ermittelt. Es besteht Verdacht auf Urkunden-, Beweismitt­el- und Bilanzfäls­chung. Nachdem der Untersuchu­ngsbericht soeben abgeschlos­sen wurde, prüft die Oberstaats­anwaltscha­ft, ob sie ein Verfahren eröffnet.

„Sie können sicher sein, dass ich nicht so bekloppt sein werde, mich da jetzt zu bereichern“, erklärt Kusej, der ein schuldenfr­eies Theater übernehmen will. Wenn es künftig Skandale am Burgtheate­r geben sollte, „dann nur auf der Bühne“, kündigt er an. Mit Glamour und Charisma will er dem berühmten Haus, das er „an einem gewissen Stagnation­spunkt“sieht, neue Impulse geben. Kusej hat seit 1992 unter anderem am Deutschen Theater und der Volksbühne in Berlin inszeniert, dazu am Thalia Theater Hamburg und bei den Salzburger Festspiele­n.

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Foto: apa/dpa Martin Kusej, der Intendant des Münchner Residenzth­eaters, wird 2019 das berühm te Wiener Burgtheate­r in seinem Heimatland Österreich übernehmen.

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