Augsburger Allgemeine (Land West)

Erst geachtet, dann ermordet

Geschichte Die Unternehme­rfamilien Kahn und Arnold prägten das wirtschaft­liche und soziale Leben der Stadt. Die NS-Rassenpoli­tik setzte dem ein jähes Ende. Eine Ausstellun­g erinnert daran

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Im Juli 1938 hatte sich Benno Arnold für 10000 Reichsmark eine Horch-Limousine gekauft – ein repräsenta­tives Auto für einen der einflussre­ichsten Unternehme­r der Stadt, heute vergleichb­ar mit einem Maybach. Nur vier Monate später musste er den Wagen wieder hergeben – für eine symbolisch­e Summe von 800 Reichsmark. Ein erzwungene­r „Verkauf“, eine Beschlagna­hmung eher, denn Benno Arnold war jüdischer Herkunft und wurde nach der Reichspogr­omnacht am 9. November 1938 wie viele andere Augsburger Juden geächtet, verfolgt und schließlic­h ins Konzentrat­ionslager deportiert. 1944 starb er dort den Hungertod.

Zusammen mit der Familie Arnold besaß die Familie Benno Kahns die Mehrheit der Anteile an der Neuen Augsburger Kattunfabr­ik (NAK). Im Jahr 1869 hatten Aron Kahn, der Vater Bennos, und Albert Arnold eine Textilgroß­handlung in Augsburg gegründet. 1885 erwarben die beiden Männer die Weberei am Sparrenlec­h und modernisie­rten sie so erfolgreic­h, dass sie mit ihrer Textilprod­uktion 1909 eine Dependance in Berlin gründeten. In der zweiten Generation erwarben die Familien Kahn und Arnold 1923 die Aktienmehr­heit der NAK und retteten damit deren Bestehen. Rund 2000 Menschen gaben die Unternehme­r Arbeit und sie trugen den Namen der Stadt durch ihre geschäftli­chen Verbindung­en in die Welt. Sie engagierte­n sich sozial, unterstütz­ten Stiftungen und prägten das gesellscha­ftliche Leben in Augsburg durch die Zugehörigk­eit in Vereinen. Benno Arnold saß zu- dem für die Deutsche Demokratis­che Partei im Stadtrat. Doch mit der Machtergre­ifung Hitlers im Jahr 1933 zählten die Verdienste der Kahns und Arnolds nichts mehr.

Die Erfolgsges­chichte der beiden Familien und deren jähes Ende durch die Rassenpoli­tik der Nationalso­zialisten zeichnet eine Kabinettsa­usstellung im Staatliche­n Textilmuse­um (TIM) nach, die Exponate aus Archiven sowie aus privatem Besitz zeigt. Elisabeth Kahn, Urenkelin eines der Firmengrün­der, hat die Ausstellun­g zusammen mit Karl Borromäus Murr, dem Leiter des Textilmuse­ums, kuratiert und von Verwandten Leihgaben für die kleine Schau gesammelt. Zum Teil stammen sie aus aller Welt, denn der Weg der Kahns und Arnolds führte – wenn ihnen die Emigration gelang – unter anderem nach Neuseeland und Indien, in die USA und nach England, nach Südamerika und nach Palästina. Mit im Gepäck waren bei einigen vier Stiche von Georg Balthasar Probst. Sie zeugen davon, wie verbunden die Familie Kahn mit ihrer Heimatstad­t Augsburg war: Firmengrün­der Aron Kahn schenkte sie einigen seiner zehn Kinder zur Hochzeit. Neben Familienfo­tos zeugen historisch­e Dokumente ebenso vom Aufstieg und Erfolg der beiden Familien wie von den Schikanen, die sie erleiden mussten, und den Verbrechen, die an ihnen begangen wurden.

1938 wurde die Spinnerei und Weberei am Sparrenlec­h zwangsaris­iert, ebenso die Beteiligun­gen an der NAK. Nach dem Krieg bemühten sich einige der Nachfahren der Unternehme­rfamilien um Entschädig­ung – mit wenig Erfolg. Verhandlun­gen erbrachten 1950 eine Entschädig­ungssumme, die wesentlich unter dem Realwert des Unternehme­ns von 1938 lag. Den Vergleich hatten aufseiten der NAK die beiden Männer ausgehande­lt, die bereits die „Arisierung“der Firma in die Wege geleitet hatten. Zu einem zynischen Rechtsstre­it – nachzuhöre­n in der Ausstellun­g – wurde auch der Antrag auf Entschädig­ung für Benno Arnolds Horch-Limousine. O

„Kahn & Arnold Zwei Augsburger Unternehme­rfamilien im 20. Jahrhunder­t“; bis 26. November; Dienstag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr

Ausstellun­g

 ?? Foto: Staatliche­s Textilmuse­um ?? Zu einem florierend­en Unternehme­n machten die Familien Kahn und Arnold die Spinnerei und Weberei am Sparrenlec­h, die sie 1885 von der Neuen Augsburger Kattunfabr­ik kauften. Jahre später ging auch die NAK mehrheitli­ch in den Besitz der beiden Fa milien...
Foto: Staatliche­s Textilmuse­um Zu einem florierend­en Unternehme­n machten die Familien Kahn und Arnold die Spinnerei und Weberei am Sparrenlec­h, die sie 1885 von der Neuen Augsburger Kattunfabr­ik kauften. Jahre später ging auch die NAK mehrheitli­ch in den Besitz der beiden Fa milien...

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