Augsburger Allgemeine (Land West)
Fußball Leidenschaft kommt Polizisten teuer
Justiz Ein 38-jähriger Beamter muss Strafe zahlen, weil er mithilfe eines ärztlichen Attests seine Zeugenpflicht missachtete
Teuer zu stehen kommt einen 38-jährigen Polizisten seine Leidenschaft für Fußball. Um ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Frankreich zu besuchen, schwänzte er als Zeuge eine Gerichtsverhandlung. Er legte zwar ein ärztliches Attest vor, doch dies sei eine „unrichtige Verwendung eines Gesundheitszeugnisses“, wie jetzt das Augsburger Amtsgericht urteilte, das gegen den Angeklagten eine Geldstrafe in Höhe von 7200 Euro verhängte.
Es war das letzte Spiel der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw bei der EM am 7. Juli 2016 in Marseille, das Team verlor gegen Frankreich mit 0:2 und verpasste das Finale. Relativ kurzfristig erhielt der Polizeibeamte das Angebot für eine Eintrittskarte zu diesem Spiel. Da hatte er bereits die Ladung als Zeuge zu einem Gerichtstermin vorliegen.
Also versuchte der Polizist, eine Befreiung von dem Prozess zu erreichen – vergeblich. Letzte Idee: Mit einem ärztlichen Attest wollte der Mann seine Abwesenheit bei dem Prozess entschuldigen, um stattdessen zum Fußball nach Südfrankreich zu reisen. Nachdem der Angeklagte am ersten Prozesstag noch behauptet hatte, krankheitsbedingt weder vor Gericht erschienen noch beim Fußball gewesen zu sein, stellte sich das am zweiten Verhandlungstag anders dar.
Da war der 43-jährige Angestellter eines Sportartikelherstellers aus der Region geladen, der die Eintrittskarte zur Verfügung gestellt hatte. Auf Nachfrage von Richterin Martina Triebel bestätigte der Zeuge, dass der angeklagte Polizist mit an Bord eines Autos war, mit dem man zu viert nach Marseille gefahren war, um dort das Fußballspiel anzuschauen. Marco Müller, Verteidiger des 38-Jährigen, hielt es nicht für entscheidend, ob das Fußballspiel nun angeschaut wurde oder nicht. Aus seiner Sicht sei das Entscheidende, ob sein Mandant ein falsches Attest benutzt habe oder nicht. Und hier sei der ärztlichen Expertise zu glauben.
Bereits zuvor hatte der Hausarzt des Angeklagten ausgesagt, dass er den Mann seinerzeit im Juli 2016 drei Tage dienstunfähig geschrieben hatte, weil der ihm beim Besuch in der Praxis Symptome einer Sommergrippe geschildert hatte. Für die unrichtige Verwendung dieses Attests war gegen den Polizeibeamten eine Geldstrafe von 3000 Euro verhängt worden, der er widersprochen hatte, weswegen es zur Gerichtsverhandlung gekommen war. Hier plädierte Anwalt Müller auf Freispruch. Staatsanwalt Andreas Tonn sah das Ganze anders. Die Verhandlung habe den Vorwurf bestätigt. Er nannte das Verhalten des Angeklagten „dreist“und forderte eine Geldstrafe von 9600 Euro (120 Tagessätze zu 80 Euro).
Auch Richterin Martina Triebel sah in ihrem Urteil den unrichtigen Gebrauch des Attests als erwiesen an. Es komme weniger darauf an, ob das Attest des Arztes in allen Einzelheiten korrekt erstellt worden sei als vielmehr darauf, dass es vom Angeklagten absichtlich und geplant beschafft worden sei, um die Abwesenheit bei der Gerichtsverhandlung (unrichtig) zu begründen und stattdessen das Fußballspiel anschauen zu können. Wer aber eine lange, zweitägige Autoreise von Augsburg nach Marseille und zurück unternehmen könne, der hätte zweifellos auch als Zeuge vor Gericht aussagen können. Sie verurteilte den Polizeibeamten zu 90 Tagessätze je 80 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bitter für den 38-Jährigen: Das Urteil des Amtsgerichts kann einfließen in ein derzeit gegen ihn laufendes Disziplinarverfahren. Wie Polizeisprecher Siegfried Hartmann bestätigt, ist der Beamte, der zuletzt bei der Inspektion in Friedberg eingesetzt war, bereits seit April 2016 vom Polizeidienst suspendiert. Gegen ihn werde vom Landeskriminalamt wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt.