Augsburger Allgemeine (Land West)
Für manche ist Mascara wichtiger als Zahnpasta
Schnappschuss. Diese Selfie-Kultur spielt der Kosmetik-Branche in die Hände. Die Menschen schminken sich mehrmals täglich nach. Manche der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen sagten gar, dass sie Mascara für wichtiger erachten als Deo und Zahnpasta.
Zudem beeinflussen die Selfies, was im Trend liegt, genauer: die Foto-Filter, die einen Schnappschuss wirken lassen als sei er nicht in fiesem Neonlicht, sondern bei Sonnenuntergang entstanden. Die Filter heben knallige Farben hervor. Nicht umsonst also stiegen die Verkaufszahlen von Lippenstiften im vergangenen Jahr an, während vor ein paar Jahren noch jeder zu dezentem Lipgloss gegriffen hätte.
Janecke erklärt: „Bildbearbeitungsprogramme führen jedem vor Augen, was möglich ist. Fotografie und Schminken haben in dieser Hinsicht viele Parallelen: Beim Schminken trägt man ein modifiziertes Bild von sich selbst aufs eigene Gesicht auf. Und nicht zufällig überschneiden sich Begriffe, etwa retouchieren oder kaschieren.“
Mit Schminke kann jeder einfach Neues ausprobieren. Manche haben ein Hobby daraus gemacht, per Pinselstreich in Rollen zu schlüpfen. Ohne Anlass, zum reinen Selbstzweck. Eine misslungene Kurzhaarfrisur lässt sich im Vergleich nicht einfach mit einem Wattebausch rückgängig machen. „Man will sich heute jeden Tag neu erfinden, sich auch mal dramatisieren“, sagt Janecke. Jahrzehnte lang, gar seit der Aufklärung, seien die Deutschen Schminkmuffel gewesen, die jemanden als unaufrichtig empfanden, der sich zu viel Make-up ins Gesicht spachtelt. Das, was man als gut gelungen empfand, wollte man „auf Dauer“stellen. Heute habe sich das geändert: Schminke sei akzeptiert. Gleiches gelte für Frauen, die sich jünger stylen. Denn auch wenn die junge Generation den Schminktrend antreibt: Alle Altersstufen ziehen mit. Nur die Motive unterscheiden sich.
Nutzen Jugendliche Kosmetikprodukte, weil sie sich eine Traumwelt ins Leben holen wollen? Die Umfrage widerspricht dem. 85 Prozent der Befragten nähmen Kosmetikprodukte, um sich sicherer zu fühlen, 64 Prozent, um nicht aufzufallen. „Zumindest ihrem Äußeren soll niemand ansehen können, dass ihr Leben chaotisch verlaufen ist“, steht in der Studie geschrieben. Ein Pickel-Abdeckstift hilft, Peinliches zu verbergen. Getuschte Wimpern betonen: Ich bin auf dem Weg zur erwachsenen Frau. Das gibt Stabilität in der Pubertät, in der die Gedanken verrückt spielen. Einen vollen Badezimmerschrank nehmen sie dafür gern in Kauf.