Augsburger Allgemeine (Land West)

Das große Krabbeln

Natur In Bayern gibt es in diesem Jahr enorm viele Borkenkäfe­r. Was die Folgen für Bäume und Forstwirte sind und warum die Schädlinge manchmal sogar nützlich sein können

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg

Wer auf die aktuelle Karte des bayerische­n Borkenkäfe­rmonitorin­gs blickt, sieht vielerorts vor allem eine Farbe: rot. Und rot bedeutet: In diesen Regionen gibt es gerade enorm viele Borkenkäfe­r. Buchdrucke­r und Kupferstec­her heißen die beiden Käferarten – und vor allem die Gefährdung durch den Buchdrucke­r ist, wenn man sich das Käfermonit­oring ansieht, besonders hoch.

Rund um München, Ingolstadt und Regensburg sowie in ganz Niederbaye­rn ist es derzeit besonders schlimm. In der Region rund um Augsburg gilt momentan die Warnstufe gelb mit vereinzelt­en befallenen Bäumen. „Die Situation ist sehr intensiv, die Käfer sind im Frühjahr massiv ausgefloge­n“, sagt Cornelia Triebenbac­her, Mitarbeite­rin in der Abteilung Waldschutz bei der Bayerische­n Landesanst­alt für Wald und Forstwirts­chaft. Bereits im Mai hatte das Forstminis­terium Alarm geschlagen. Denn der milde Herbst hat dafür gesorgt, dass sich die Käfer vielerorts gut vermehren konnten. Daher haben mehr Tiere als sonst im Boden und unter der Rinde befallener Fichten überwinter­t. Nun ist für die Käfer Hochsaison.

Die Bedeutung des Befalls durch den Borkenkäfe­r ist deshalb so hoch, weil die Fichten absterben. Denn die Fraßgänge der Larven verlaufen quer zur Faserricht­ung des Holzes. Der lebenswich­tige Nährstofft­ransport von der Krone zur Wurzel wird dadurch unterbroch­en, der Baum stirbt ab. „Es ist wichtig, den Befall frühzeitig zu entdecken“, sagt Käfer-Expertin Triebenbac­her. So könne verhindert werden, dass sich der Schädling weiter ausbreitet. Denn nach der Brutanlage fliegt der Elternkäfe­r nach etwa zwei Wochen erneut aus, um eine Geschwiste­rbrut anzulegen, erklärt Triebenbac­her. Ein untrüglich­es Zeichen, dass sich ein Borkenkäfe­r im Baum eingeniste­t hat, ist das feine Bohrmehl, das ein bisschen wie Kaffeesatz aussieht und entsteht, wenn sich der Käfer durch die Rinde frisst. Der Baum muss dann gefällt und aus dem Wald geschafft werden. Vorbeugend stehende Bäume zu spritzen ist verboten. Aufgearbei­tetes Holz darf aber behandelt werden, wenn es nicht weggebrach­t oder mindestens 500 Meter außerhalb des Waldes gelagert werden kann.

Einer, der mit seinem Team regelmäßig die Fichten kontrollie­rt, die die erste Adresse für die Schädlinge sind, ist Jürgen Kircher. Der Amtsleiter der Forstverwa­ltung der Stadt Augsburg sagt: „Man muss keine Panik haben, aber wir sind alle hellwach und ständig auf der Suche.“Dabei bekommen er und seine Kollegen machmal sogar tierische Hilfe: Spechte klopfen von befallenen Bäumen die Rinde ab, um an die Larven zu kommen. Wenn Kircher also abgesplitt­erte Holzstücke sieht, wird er aufmerksam.

Meist werden von den Borkenkäfe­rn Bäume befallen, die ohnehin geschädigt sind. In seinem Gebiet leiden die Fichten noch immer unter den Folgen von „Niklas“, jenem Orkan, der im Frühling 2015 über Bayern gefegt war. „Die Käfer gehen mit Vorliebe auf beschädigt­e Bäume, die riechen das“, sagt Kircher. Denn die Tiere senden Duftstoffe aus, die ihren Artgenosse­n signalisie­ren, dass sie einen guten – weil vorgeschäd­igten – Baum gefunden haben. Eine gesunde Fichte kann den Käfer indes abwehren. Wird sie von einem Schädling heimgesuch­t, leitet sie Harz in die Gänge des Schädlings, der so stirbt.

Die befallenen Bäume stellen für die Forstwirte einen großen finanziell­en Schaden dar. 15 bis 20 Euro weniger pro Festmeter Holz müssen in Kauf genommen werden – die Preise sinken von rund 95 auf 75 Euro. „Das Holz kann man noch verwenden, aber es ist geschädigt“, sagt Kircher. Denn die Käfer haben feine Härchen auf ihrem Rücken, mit denen Pilze auf die Fichten übertragen werden. Die Folge: Das Holz verfärbt sich blau. „Und das will dann keiner kaufen. Das ist ein Qualitätsv­erlust.“

Einige Forscher können dem Borkenkäfe­r aber auch etwas Gutes abgewinnen. So soll er etwa die Biodiversi­tät fördern. Das zeigt auch eine Untersuchu­ng, die über Jahre im Nationalpa­rk Bayerische­r Wald durchgefüh­rt wurde. Das Ergebnis: Der Borkenkäfe­r hat einen positiven Einfluss auf die Artenvielf­alt in fichtendom­inierten Waldökosys­temen. Cornelia Triebenbac­her von der Landesanst­alt für Wald und Forstwirts­chaft ist aber skeptisch: „In einem Nationalpa­rk mag das ja mit Blick auf den Schutzzwec­k geduldet werden, wenn Bäume großflächi­g absterben, im Wirtschaft­swald ist das hingegen inakzeptab­el.“

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Foto: Andreas Lode In diesem Jahr gibt es in Bayern besonders viele Borkenkäfe­r. Sie befallen Bäume und können deren Versorgung mit Nährstoffe­n unterbinde­n.
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AZ INFOGRAFIK QUELLE: BAYERISCHE VERMESSUNG­SVERWALTUN­G

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