Augsburger Allgemeine (Land West)
Diana Damrau stiftet ihre Roben
Interview Wie sich Eva Luise Köhler, die Ehefrau des früheren Bundespräsidenten, für die Behandlung seltener Erkrankungen einsetzt und wie dabei auch die Kartei der Not hilft
Frau Köhler, wie sind Sie auf die riesigen Defizite in der Erforschung der sogenannten seltenen Erkrankungen aufmerksam geworden?
Der großartige Einsatz von Christiane Herzog, der Frau von Roman Herzog, der wie mein Mann Bundespräsident war, hat mich tief beeindruckt. Auch 17 Jahre nach ihrem Tod ist ihr Engagement für Mukoviszidose-Kranke unvergessen. Ihr ist es zu danken, dass dieses Leiden heute vielleicht die bekannteste seltene Krankheit ist. Mein Mann und ich haben entsetzt festgestellt, dass es noch unglaublich viele weitere Erkrankungen gibt, von denen nur sehr wenige Menschen betroffen sind. So wurde ich zunächst Schirmherrin des Vereins „Achse“, der den Betroffenen hilft. Später haben wir unsere eigene Stiftung gegründet. Unterstützt werden wir dabei auch von unserer Tochter, die als Teenager durch ein Netzhautleiden erblindet ist.
Eva Luise Köhler:
Wie selten muss denn eine Krankheit sein, um als seltene Krankheit zu gelten?
Köhler:
Von einer seltenen Krankheit wird gesprochen, wenn es unter 10 000 Menschen weniger als fünf Betroffene gibt. Es wird aber damit gerechnet, dass bis zu 8000 solcher Krankheiten existieren. Nur etwa hundert davon haben überhaupt einen Namen und nur für die allerwenigsten gibt es eine Therapie.
Dann muss es insgesamt ja sehr viele Menschen geben, die an seltenen Erkrankungen leiden ...
Genau. In Deutschland sind vier bis fünf Millionen Menschen von einer betroffen, davon rund drei Millionen Kinder. Bei vielen dieser Kinder besteht die Gefahr, dass sie durch ihre schweren Krankheiten das Erwachsenenalter gar nicht erreichen. Das ist natürlich auch für die Eltern eine riesige Belastung.
Köhler:
Wie lässt sich das Leid der Patienten und ihrer Angehörigen lindern?
Alle Betroffenen wünschen sich natürlich sehnlichst, dass ihre Krankheit erforscht wird, dass eine Therapie, ein Medikament gefunden wird. Das versuchen wir durch unsere Stiftung zu erreichen. Zum Beispiel, indem wir jährlich einen Forschungspreis vergeben, der mit 50 000 Euro dotiert ist. Er soll Ärzte motivieren und als Anschubfinanzierung dienen, um Therapien gegen seltene Krankheiten zu entwickeln.
Köhler:
Wie sind die Erfahrungen mit dieser Strategie?
Sehr Wissen um
Köhler:
hoffnungsvoll. Das seltene Krankheiten ständig. Wichtig ist es aber auch, dass die Ärzte sich über die neuen Erkenntnisse austauschen können. Deshalb veranstalten wir regelmäßig Symposien zu seltenen Krankheiten. Und wir vergeben Stipendien, die es jungen Medizinern ermöglichen, drei Jahre lang an Kliniken seltene Krankheiten zu erforschen.
Welche Fortschritte gibt es bei der Behandlung seltener Leiden?
Immer wieder gelingt es, das Geheimnis einer Krankheit zu entschlüsseln und ihr den Schrecken zu nehmen. Wir wissen etwa von einem Baby, das unter einem bestimmten Immundefekt leidet. Es verträgt ein bestimmtes Eiweiß nicht. Dank neuer Forschungen konnte ein spezieller Ernährungsplan aufgestellt werden, sodass sich das Kind normal entwickelt. Leider kamen diese Er-
Köhler:
kenntnisse für die siebenjährige Schwester des Säuglings zu spät – sie hat von der Krankheit bereits bleibende Schäden davongetragen.
Warum gibt es noch immer so wenige Medikamente gegen die seltenen Krankheiten?
Natürlich hat das manchmal auch damit zu tun, dass es sich für die Arzneimittelhersteller nicht rechnet, ein Medikament zu entwickeln und herzustellen, für das es nur sehr wenige Abnehmer gibt. Es wäre allerdings falsch, die Pharmafirmen einseitig als die bösen Buben darzustellen. Sie leisten viel Forschungsarbeit, die auch für seltene Krankheiten wichtig ist. Doch leider gibt es tatsächlich die Fälle, in denen Firmen abgesprungen sind, obwohl die Entwicklung eines Medikaments möglich gewesen wäre. Hier werden wir in Zukunft noch stärker nach alwächst
Köhler:
ternativen Möglichkeiten suchen müssen, um solche Therapien trotzdem für die Betroffenen verfügbar zu machen.
Das kostet aber sicher viel Geld ...
Das stimmt leider. Doch zum Glück gibt es in Deutschland unglaublich viele Menschen, die sich für wohltätige Zwecke einsetzen. Und dass ein Weltstar wie die Sopranistin Diana Damrau aus Günzburg zusammen mit ihrem Ehemann Nicolas Testé am 9. Juli im Augsburger Kongress am Park ein Benefizkonzert zugunsten unserer Stiftung gibt, ist schon toll.
Köhler:
Diana Damrau stiftet sogar einige ihrer schönsten Roben, die am Rande des Konzerts versteigert werden ...
Ja, der Erlös geht an die Kartei
Köhler:
der Not, das Hilfswerk unserer Zeitung, das ja unter anderem auch immer wieder Menschen unterstützt, die von seltenen Krankheiten betroffen und deshalb in Not geraten sind. Darum passt diese Verbindung auch ganz wunderbar. Als First Lady habe ich so viele schöne Beispiele von bürgerschaftlichem Engagement erleben dürfen – ohne das Ehrenamt wäre es um unsere Gesellschaft nicht so gut bestellt.
Als First Lady waren Sie ja gewissermaßen Mittelpunkt der Gesellschaft. Fehlt Ihnen das?
Überhaupt nicht. Mein Mann und ich leben in Berlin und Bayern ein sehr erfülltes Leben, in dem die Stiftungsarbeit großen Raum einnimmt. Ich bin ja auch weiterhin Schirmherrin mehrerer Organisationen. Auch mein Mann ist in vielen Ehrenämtern aktiv. Und als vierfache Großeltern wird es uns natürlich auch nicht so schnell langweilig.
Köhler:
Vor wenigen Monaten ist wieder eine neue First Lady ins Schloss Bellevue eingezogen. Was raten Sie der Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier?
Elke Büdenbender braucht keine Ratschläge von mir. Sie weiß sehr genau, was auf sie zukommt. Wichtig sind in diesem Amt, das es ja offiziell überhaupt nicht gibt, Offenheit gegenüber den Menschen und Interesse an ihren Schicksalen. Beides bringt sie reichlich mit.
Interview: Bernhard Junginger
Köhler: