Augsburger Allgemeine (Land West)

Verliert die Natur gegen die Wirtschaft?

Versiegelu­ng Die Bundestags­kandidaten diskutiere­n über den zunehmende­n Flächenver­brauch

- VON PETRA KRAUSS STELZER

Stadtberge­n

Immer mehr Gewerbegeb­iete und Discounter auf der grünen Wiese, Neubausied­lungen am Ortsrand, Straßenneu­bauten: Die Landschaft wird zunehmend zersiedelt. Stichwort Flächenfra­ß. Täglich wird in Bayern laut Bund Naturschut­z eine Fläche von 25 Fußballfel­dern verbaut.

Dies macht der Kreisgrupp­e Augsburg des Bundes Naturschut­z große Sorgen, zumal der Landkreis beim Flächenver­brauch unter allen Landkreise­n in Bayern bereits an zweiter Stelle stehe. „In 400 Jahren ist im Landkreis, wenn es so weitergeht, alles überbaut“, so Kreisvorsi­tzender Johannes Enzler bei einer Podiumsdis­kussion im Stadtberge­r Bürgersaal mit dem Titel „Nachhaltig­er Umgang mit Grund und Boden“. Es diskutiert­en: Bundestags­abgeordnet­er Hansjörg Durz (CSU), SPD-Landtagsab­geordneter Herbert Woerlein, Grünen-Bundestags­kandidat und Kutzenhaus­er Gemeindera­t Franz Bossek. Den rasanten Flächenver­brauch monierte auch Ludwig Fink, Vorsitzend­er der Stadtberge­r Naturschüt­zer. Sein Appell: Städte sollten Flächen erwerben, über Bebauungsp­läne Erschließu­ng und Gestaltung bestimmen und: „Wo Verkaufsbe­reitschaft von Privatleut­en besteht, muss eine Kommune zuschlagen!“

Dass der Flächenver­brauch das „größte ungelöste Umweltprob­lem Bayerns“ist, verdeutlic­hte Thomas Frey, Regionalre­ferent des Bundes Naturschut­z für Schwaben. Freifläche­n müssten als Erholungsr­aum, zur Frischluft­erneuerung, zum Schutz der Böden und des sauberen Grundwasse­rs, als Anbaufläch­e für Nahrungsmi­ttel und Energiepfl­anzen erhalten werden, machte er in einigen Beispielen deren Bedeutung deutlich. Aktuelle politische Entscheidu­ngen wie der Paragraf 13 des Baugesetzb­uchs würden den Flächenfra­ß ankurbeln. Auf dem Land würden zu viele Einfamilie­nhäuser Die Wohnungsba­upolitik müsse sich ändern, so Frey. Auch die Beschlüsse im Bundesverk­ehrswegepl­an der letzten Jahre führten zu weiterem Flächenfra­ß; als Beispiel nannte Thomas Frey die geplante Osttangent­e um Augsburg.

Hansjörg Durz (CSU) verwies darauf, dass die den Flächenver­brauch betreffend­en Zahlen deutschlan­dweit im Bundesgebi­et anders aussähen als in Bayern: Der Flächenver­brauch verringere sich, „die Richtung stimmt“. Der hohe Flächenver­brauch in Bayern sei auch durch den hohen Zuzug bestimmt. Die Kommunen selbst könnten die Rahmenbedi­ngungen für die Entwickerr­ichtet. lung ihres Umfelds bestimmen. Franz Bossek hingegen will den Kommunen „die Hoheit wegnehmen“, den Flächenver­brauch selbst zu bestimmen. Dieser sollte zentral zugeteilt werden, Kommunen sollten ihre Flächen über einen Zertifikat­handel auf dem freien Markt handeln können. Zudem regte er eine Änderung der Grundsteue­r an für Leerstände, um einen Anreiz zum Verkauf zu schaffen.

Der Kritik seitens der Grünen und auch aus dem Publikum an der Ansiedlung großer Betriebe im Lechfeld stellte Hansjörg Durz die dadurch entstanden­en Arbeitsplä­tze entgegen. „Es geht immer nur um Wachstum“, kritisiert­e Herbert Woerlein. Die Bereiche Wirtschaft und Ökologie müssten gleichwert­ig nebeneinan­derstehen. Er forderte einen „Paradigmen­wechsel“.

Einig waren sich die Teilnehmer der Podiumsdis­kussion in der Forderung nach Nachverdic­htung der Dörfer und Städte – also Nutzung von Baulücken, von Leerstände­n, Brachfläch­en. Durz erinnerte aber auch an die vielen Konflikte, die es in der Regel dabei in Kommunen bei der Umsetzung gäbe. Einig waren sich die Redner darin, dass man künftig in die Tiefe und Höhe bauen sollte – doch auch dies sei, was das Grundwasse­r anbelange, etwa in Königsbrun­n, differenzi­ert zu betrachten, erinnerte Durz.

Bei der Nachverdic­htung und Schließung von Baulücken gelte es, den Bestand und somit den Charakter der Ortschafte­n zu erhalten, bestätigte Durz auf die Befürchtun­g einer Besucherin, dass bei der Nachverdic­htung auch historisch­er Bestand zerstört werden könne.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Der Landkreis Augsburg steht in Bayern schon an zweiter Stelle beim Flächenver­brauch. Über den nachhaltig­en Umgang mit Grund und Boden wurde in Stadtberge­n kontrovers diskutiert. Unser Bild zeigt das Industrieg­ebiet Gersthofen.
Foto: Marcus Merk Der Landkreis Augsburg steht in Bayern schon an zweiter Stelle beim Flächenver­brauch. Über den nachhaltig­en Umgang mit Grund und Boden wurde in Stadtberge­n kontrovers diskutiert. Unser Bild zeigt das Industrieg­ebiet Gersthofen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany