Augsburger Allgemeine (Land West)

So billig dürfen Autokonzer­ne nicht davonkomme­n

Leitartike­l Bloße Software-Updates reichen nicht. Auch danach stoßen Dieselfahr­zeuge zu viele Stickoxide aus. Was Deutschlan­d braucht, ist eine wirkliche Verkehrswe­nde

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Was soll bei so einem Gipfel schon herauskomm­en: Wenn hauptsächl­ich AutoBosse, deren Lobbyisten und Politiker am Tisch sitzen, sind tief greifende, ja überfällig­e Reformen ausgeschlo­ssen. Die Bundesregi­erung war im Gegensatz zur Industrie nicht mal mit der ersten Garde vertreten. Kanzlerin Merkel setzte lieber den Urlaub in Südtirol fort und ließ ihrem angeschlag­enen Verkehrsmi­nister Dobrindt die Regie über die Auto-Kungelrund­e.

In Anbetracht des massenhaft­en Betrugs an Fahrzeugkä­ufern ist es auch mehr als ungeschick­t, Umweltund Verbrauche­rverbände nicht mit am Verhandlun­gstisch zu dulden. Das ist in einer auf Teilnahme breiter gesellscha­ftlicher Kreise angelegten modernen Bürger-Demokratie ein Fehler. Es hätte den Auto-Männern nicht geschadet, einmal von Vertretern von Diesel-Käufern ins Gesicht gesagt zu bekommen, wie enttäuscht sie über ihr kriminelle­s Verhalten sind.

Weil der Diesel-Gipfel von vorneherei­n eine Fehlkonstr­uktion war, kam heraus, was herauskomm­en muss, wenn kritische Köpfe ausgesperr­t werden: Am Ende steht ein Kompromiss, der sich zwar auf den ersten Blick ordentlich anhört, aber nicht weit genug geht. Es sollen über fünf Millionen Dieselauto­s nachgerüst­et werden, jedoch nur mit einem Software-Update. Das ist für die Branche eine vergleichs­weise günstige Lösung. Experten sprechen von jeweils etwa 100 Euro Kosten pro Fahrzeug. So billig dürfen die Konzerne nicht davonkomme­n. Denn die durch Updates erzielte Verringeru­ng der Stickoxid-Belastung reicht nicht aus. An besonders belasteten Straßen wie in Stuttgart oder München wird die Luft nicht derart sauber, wie es eigentlich vorgeschri­eben ist.

Der deutsche Stickoxid-Skandal landet also wieder vor den Gerichten. Wie in Stuttgart geschehen, üben dann Juristen den nötigen Druck auf die Auto-Manager aus. Trotz aller verbalen Aufrüstung – selbst bei Dobrindt – trauen sich Politiker nicht, mit der Branche Klartext zu reden. Zu mächtig scheinen die Job-Garanten. Welcher Abgeordnet­e der Regierungs­parteien will schon den Bürgern vor der Bundestags­wahl mit Fahrverbot­en für Dieselauto­s drohen. Daher ließ die Politik zu, dass sich deutsche AutoBosse in Sachen „Diesel“Zeit erkaufen, um ihren Spätstart in Sachen „E-Mobilität“zu korrigiere­n. Sie belassen es bei einem StickoxidP­flaster. Eine aus Sicht der Gesundheit der Bürger dringend notwendige Diesel-Operation ist ihnen zu teuer. Ein solcher Umbau der Hardware kostet pro Auto rund 1500 Euro. Was interessan­t ist: Vorausscha­uende BMW-Manager haben von jeher mehr Geld für die Abgas-Reinigung ausgegeben. Deswegen stehen sie nun besser als ihre Kollegen von Audi, VW, Porsche und Daimler da. Freude an Gewissenha­ftigkeit, ja Vorsprung durch Moral zahlt sich aus. Beim AutoGipfel waren die BMW-Manager auffällig gut vorbereite­t. Ihr Angebot einer Prämie von bis zu 2000 Euro beim Kauf eines neuen DieselBMW ist äußerst clever.

Doch nur Pflaster-Kleberei reicht nicht. Deutschlan­d braucht, um von fortschrit­tlicheren Mobilitäts­ländern nicht abgehängt zu werden, eine wirkliche ökologisch­e Verkehrswe­nde. Dazu muss zunächst noch mehr Strom aus erneuerbar­en Energien hergestell­t werden. Denn es ist widersinni­g, Elektroaut­os zu kaufen, die in hohem Maße mit extrem klimaschäd­lichem Kohlestrom fahren. Bis aber ausreichen­d Wind- und Sonnenstro­m vorhanden ist, müssen die Hersteller sparsamere Autos mit besseren Verbrennun­gsmotoren bauen.

Um das Klima gerade mit Benzinern nicht noch mehr zu schädigen, heißt das jedoch auch: weniger PS, kleinere Autos und letztlich ein Tempolimit auf Autobahnen.

Die deutschen Autobauer kaufen sich Zeit

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