Augsburger Allgemeine (Land West)
So billig dürfen Autokonzerne nicht davonkommen
Leitartikel Bloße Software-Updates reichen nicht. Auch danach stoßen Dieselfahrzeuge zu viele Stickoxide aus. Was Deutschland braucht, ist eine wirkliche Verkehrswende
Was soll bei so einem Gipfel schon herauskommen: Wenn hauptsächlich AutoBosse, deren Lobbyisten und Politiker am Tisch sitzen, sind tief greifende, ja überfällige Reformen ausgeschlossen. Die Bundesregierung war im Gegensatz zur Industrie nicht mal mit der ersten Garde vertreten. Kanzlerin Merkel setzte lieber den Urlaub in Südtirol fort und ließ ihrem angeschlagenen Verkehrsminister Dobrindt die Regie über die Auto-Kungelrunde.
In Anbetracht des massenhaften Betrugs an Fahrzeugkäufern ist es auch mehr als ungeschickt, Umweltund Verbraucherverbände nicht mit am Verhandlungstisch zu dulden. Das ist in einer auf Teilnahme breiter gesellschaftlicher Kreise angelegten modernen Bürger-Demokratie ein Fehler. Es hätte den Auto-Männern nicht geschadet, einmal von Vertretern von Diesel-Käufern ins Gesicht gesagt zu bekommen, wie enttäuscht sie über ihr kriminelles Verhalten sind.
Weil der Diesel-Gipfel von vorneherein eine Fehlkonstruktion war, kam heraus, was herauskommen muss, wenn kritische Köpfe ausgesperrt werden: Am Ende steht ein Kompromiss, der sich zwar auf den ersten Blick ordentlich anhört, aber nicht weit genug geht. Es sollen über fünf Millionen Dieselautos nachgerüstet werden, jedoch nur mit einem Software-Update. Das ist für die Branche eine vergleichsweise günstige Lösung. Experten sprechen von jeweils etwa 100 Euro Kosten pro Fahrzeug. So billig dürfen die Konzerne nicht davonkommen. Denn die durch Updates erzielte Verringerung der Stickoxid-Belastung reicht nicht aus. An besonders belasteten Straßen wie in Stuttgart oder München wird die Luft nicht derart sauber, wie es eigentlich vorgeschrieben ist.
Der deutsche Stickoxid-Skandal landet also wieder vor den Gerichten. Wie in Stuttgart geschehen, üben dann Juristen den nötigen Druck auf die Auto-Manager aus. Trotz aller verbalen Aufrüstung – selbst bei Dobrindt – trauen sich Politiker nicht, mit der Branche Klartext zu reden. Zu mächtig scheinen die Job-Garanten. Welcher Abgeordnete der Regierungsparteien will schon den Bürgern vor der Bundestagswahl mit Fahrverboten für Dieselautos drohen. Daher ließ die Politik zu, dass sich deutsche AutoBosse in Sachen „Diesel“Zeit erkaufen, um ihren Spätstart in Sachen „E-Mobilität“zu korrigieren. Sie belassen es bei einem StickoxidPflaster. Eine aus Sicht der Gesundheit der Bürger dringend notwendige Diesel-Operation ist ihnen zu teuer. Ein solcher Umbau der Hardware kostet pro Auto rund 1500 Euro. Was interessant ist: Vorausschauende BMW-Manager haben von jeher mehr Geld für die Abgas-Reinigung ausgegeben. Deswegen stehen sie nun besser als ihre Kollegen von Audi, VW, Porsche und Daimler da. Freude an Gewissenhaftigkeit, ja Vorsprung durch Moral zahlt sich aus. Beim AutoGipfel waren die BMW-Manager auffällig gut vorbereitet. Ihr Angebot einer Prämie von bis zu 2000 Euro beim Kauf eines neuen DieselBMW ist äußerst clever.
Doch nur Pflaster-Kleberei reicht nicht. Deutschland braucht, um von fortschrittlicheren Mobilitätsländern nicht abgehängt zu werden, eine wirkliche ökologische Verkehrswende. Dazu muss zunächst noch mehr Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Denn es ist widersinnig, Elektroautos zu kaufen, die in hohem Maße mit extrem klimaschädlichem Kohlestrom fahren. Bis aber ausreichend Wind- und Sonnenstrom vorhanden ist, müssen die Hersteller sparsamere Autos mit besseren Verbrennungsmotoren bauen.
Um das Klima gerade mit Benzinern nicht noch mehr zu schädigen, heißt das jedoch auch: weniger PS, kleinere Autos und letztlich ein Tempolimit auf Autobahnen.
Die deutschen Autobauer kaufen sich Zeit