Augsburger Allgemeine (Land West)
War das schon alles?
Hintergrund Beim Diesel-Gipfel kämpfen Autobosse und Regierung gegen den Vertrauensverlust. Verkehrsminister Dobrindt scheint ganz zufrieden mit dem Ergebnis, doch seine Kollegin im Umweltministerium will nicht lockerlassen
Berlin
Der Diesel-Gipfel beginnt mit Verzögerung: Greenpeace-Aktivisten haben schon am frühen Morgen das Dach des Bundesverkehrsministeriums bestiegen und ein riesiges Transparent entrollt. „Willkommen in Fort NOx“, steht da in großen Lettern. NOx, das Kürzel steht für gesundheitsschädliche Stickoxide, wie sie Dieselfahrzeuge ausstoßen und damit in vielen Städten für zu hohe Luftbelastungen sorgen.
Mit dreisten Schummeleien hatten Autohersteller versucht, die wahren Abgaswerte ihrer Dieselautos zu verschleiern. Und auf dem Diesel-Gipfel, das findet jedenfalls Greenpeace, werde die „ausgediente“Diesel-Technologie trotzdem verteidigt, wie das Gold im berühmten Fort Knox. Ob es an der Aktion der Umweltschützer liegt oder an „technischen Gründen“, wie es von offizieller Seite heißt – das Spitzentreffen von Politik und Autoindustrie muss ins Innenministerium verlegt werden.
Dort wird, wie es aus Teilnehmerkreisen heißt, durchaus heftig gerungen. Gerade zwischen Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und den Vertretern der Autoindustrie knirscht es offenbar heftig. Doch die Ergebnisse, die Verkehrsminister Alexander Dobrindt dann am frühen Abend verkündet, gehen nicht über das Erwartete hinaus. Die Bundesregierung, so berichtet der CSU-Politiker, habe von der Autoindustrie eine „neue Verantwortungskultur eingefordert“. Beim Gipfel sei es darum gegangen, den Vertrauensverlust in die Autoindustrie aufzuhalten, die Schadstoffemissionen in den Städten zu reduzieren und gleichzeitig pauschale Fahrverbote zu vermeiden.
So werden laut Dobrindt bis Ende 2018 rund 5,3 Millionen Autos der Schadstoffklassen Euro 5 und 6 durch Software-Updates nachgerüstet. Darin enthalten sind allerdings auch 2,5 Millionen Autos aus dem Volkswagen-Konzern, zu dem auch Audi und Porsche gehören, für die eine Umrüstung bereits angeordnet war. Damit sollen die Stickoxid- Emissionen um durchschnittlich 25 bis 30 Prozent reduziert werden.
Die Kosten von geschätzten 500 Millionen Euro tragen die Hersteller. Und: Die Maßnahme darf weder zu einem höheren Kraftstoffverbrauch noch zu mehr KohlendioxidAusstoß führen. Die Garantie für die betroffenen Bauteile übernimmt
Nachrüstung darf den Verbrauch nicht erhöhen
ebenfalls der Hersteller. Dies sei eine sinnvolle Basis für die schnelle Reduzierung von Abgasen – sagt Dobrindt.
Seine Kollegin im Umweltministerium ist bei der Bewertung der Gipfel-Ergebnisse deutlich zurückhaltender. „Natürlich reicht das heute erzielte Ergebnis am Ende noch nicht aus“, findet Hendricks. Den Vertretern der Autobranche warf sie mangelnde Demut vor. Auch die Debatte um Fahrverbote ist für die SPD-Politikerin noch nicht beendet: „Die Bevölkerung hat ein Recht auf saubere Luft.“Dass weitergehende technische Maßnahmen, die die Hersteller deutlich teurer kommen würden, vorerst nicht beschlossen wurden, wurmt die Umweltministerin sichtlich. Sie seien aber auch nicht vom Tisch, wie Hendricks betont. So seien vier Arbeitsgruppen eingerichtet worden, die solche Maßnahmen prüfen sollen. Volkswagen-Boss Matthias Müller wiederum hält solche baulichen Maßnahmen „im Grunde genommen für ausgeschlossen“– des Aufwandes wegen und weil die Wirkung fragwürdig sei.
Der Bund will laut Dobrindt die Umrüstung der Bus- und Taxiflotten, aber auch von anderen Fahrzeugen, die wie Müllautos ständig in den Städten unterwegs sind, künftig stärker fördern. Auch der Bau von Fahrradschnellwegen soll forciert werden, um Schadstoffe in Ballungsräumen einzusparen.
Zugesagt haben die drei deutschen Autohersteller Volkswagen, BMW und Daimler, mit Prämien Anreize zu schaffen, mit denen Besitzer älterer Dieselautos, also Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und darunter, zum Umstieg auf
Prämie für Umstieg auf neuere Diesel Modelle
emissionsärmere Fahrzeuge bewegt werden. Diese Maßnahmen werden von den Autoherstellern bezahlt – und nicht vom Staat, wie etwa Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer angeregt hatte. Der CSU-Chef sagt aber, es müsse überlegt werden, den Austausch der älteren Dieselautos auch über die Kraftfahrzeugsteuer zu fördern.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hofft, der Gipfel führe „heraus aus der Vertrauenskrise“. Der GrünenPolitiker selbst hat sich kürzlich ein Dieselauto gekauft – Elektroautos findet er noch zu „unpraktisch“.
Und es gibt noch einen dritten konkreten Gipfel-Beschluss: Bundesregierung und Autoindustrie zahlen jeweils 250 Millionen Euro in einen Fonds ein, mit dem „nachhaltige Mobilität für die Stadt“gefördert werden soll. Das Geld soll den 28 besonders stark von StockoxidEmissionen betroffenen Städten und Ballungsräumen zugutekommen. Für jedes Gebiet wird ein Plan erarbeitet, der Maßnahmen enthält, wie etwa der öffentliche Nahverkehr gestärkt und der Verkehrsfluss besser gesteuert werden kann, um Schadstoffe zu vermeiden.
Verkehrsminister Dobrindt kritisiert scharf, dass die ausländischen Autobauer bislang keine Bereitschaft gezeigt hätten, sich an dem Fonds zu beteiligen.