Augsburger Allgemeine (Land West)

Auch die Maßlosigke­it der Scheichs wird den Fußball nicht zerstören

Leitartike­l 222 Millionen Euro für den Ballzauber­er Neymar sind eine schwindele­rregend hohe Summe. Warum das Rad nicht überdreht werden darf

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Die Kluft zum Fan im Stadion wird immer größer

Die Aufregung um einen Fußballer namens Neymar ist groß. Für sagenhafte 222 Millionen Euro wechselt der Brasiliane­r vom FC Barcelona zum Klub Paris Saint-Germain. Das ist natürlich eine schwindele­rregend hohe Summe. Doch all denjenigen, die jetzt darüber spekuliere­n, dass der Profi-Fußball bald an seiner Maßlosigke­it ersticken werde, sei gesagt: Er wird überleben. Und zwar so lange, wie die Abermillio­nen Fans weltweit diesem Sport nicht ihre Liebe entziehen.

Es ist ja nicht neu, dass Menschen, auch Sportler, dorthin wechseln, wo sie mehr Geld verdienen. Das galt schon für den Augsburger Fußballsta­r Helmut Haller, der sich 1962 nicht nur dem FC Bologna anschloss, weil in Italien die Tortellini besser schmecken. Und das gilt heute für die vielen südamerika­nischen und afrikanisc­hen Ballzauber­er, die ihre Heimat verlassen, um in den europäisch­en Profi-Ligen ihre Konten zu füllen.

Doch vor allem aus zwei Gründen führt das Neymar-Geschäft den Fußball in eine zweifelhaf­te neue Dimension. Erstens ist der vermeintli­che Riesen-Deal nur ein Mosaikstei­n in einer weitaus größeren politische­n Strategie. Sie soll das sagenhaft reiche Wüsten-Emirat Katar in die Zukunft tragen, wenn Öl und Gas nicht mehr fließen. Nach den Plänen werden Tourismus und Finanzdien­stleistung­en irgendwann an die Stelle der alten Quellen treten. Damit dies funktionie­rt, braucht es neue Attraktion­en und ein sauberes Image.

Die umstritten­e arabische Monarchie investiert daher insgesamt etwa 150 Milliarden Euro in die Fußball-WM 2022, die es nie hätte bekommen dürfen, weil sie nicht in einen glühend heißen Wüstenstaa­t gehört. Neymar soll zwar für den Klub Paris Saint-Germain spielen, der dem Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, gehört. Doch das ist nur ein Beifang. Vor allem erwarb das Emirat die Marketingr­echte an dem brasiliani­schen Weltstar.

Neymar wird das sympathisc­he Gesicht einer Fußball-WM, die eigentlich eine hässliche Fratze hat. Berichte von Korruption bei der Vergabe durch die Fifa und nordkorean­ische Zwangsarbe­iter auf den Stadion-Baustellen haben das Image der WM 2022 verbeult. Der junge Brasiliane­r soll diese Schäden weglächeln. Aus Sicht der herrschend­en Scheich-Familie sind die 222 Millionen also eher Peanuts. Das lässt erahnen, dass demnächst noch mehr Petrodolla­rs den Fußball-Markt fluten. Selbst die Summe von einer Milliarde Euro ist nicht mehr undenkbar.

Das viele Geld wird kaskadenar­tig über die Klubs in die Taschen von Spielern und ihren cleveren Beratern fließen. Die Kluft zum Fan im Stadion, das sich heute meist Arena nennt, um attraktive­r zu wirken, wird immer größer. Drohende Über-Kommerzial­isierung nennt man das. Und das ist der zweite Grund, weshalb das Neymar-Geschäft zweifelhaf­t ist.

Auf der anderen Seite entwickelt sich der Fußball aber schon seit über 50 Jahren zu einem immer lukrativer­en Geschäft, ohne dass seine Faszinatio­n Schaden nimmt. Der weltweit wohl beliebtest­e Sport ist inzwischen eine der attraktivs­ten Marketing-Plattforme­n überhaupt. Die Anhänger strömen in die Arenen und die Werbepartn­er reißen sich um die Top-Plätze. Dieses Geschäft funktionie­rt allerdings nur so lange, wie die Vermarkter das Rad nicht überdrehen und das Interesse am Fußball nicht abflacht.

Doch so weit ist es noch nicht. Der Fußball hat die einst umstritten­e Einführung der Trikotwerb­ung überstande­n. Die russischen und chinesisch­en Oligarchen haben ihn bislang so wenig kaputt gekriegt wie österreich­ische Brause-Millionen. So schnell schaffen das die Scheichs auch nicht.

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