Augsburger Allgemeine (Land West)

B17: Bringt der Deckel endlich Ruhe?

Verkehr Innenminis­ter Joachim Hermann verspricht der Stadt eine Erweiterun­g des bestehende­n Tunnels an der viel befahrenen Schnellstr­aße. Die vom Lärm geplagten Anwohner begrüßen das Vorhaben. Doch es gibt einen Haken

- VON SVEN KOUKAL

Stadtberge­n

Selbst bei bestem Sommerwett­er lässt Helmut Hering die Tür zum Balkon zu. Die drückende Hitze im siebten Stock des Stadtberge­r Ährenhofs stört ihn zwar, aber die Lautstärke an diesem Freitag, und eigentlich an jedem Tag im Jahr, ist immens. „Selbst zum Lüften mache ich nur kurz auf“, sagt der 52-Jährige und streift mit dem Finger über die Fenstersch­eibe. „Vor zwei Wochen geputzt, aber der Gummiabrie­b und aufgewirbe­lte Dreck verteilt sich in der ganzen Wohnung“, fügt er hinzu.

Seit neun Jahren lebt Hering im Wohngebiet, das nur zehn Meter entfernt von der B17 liegt. Täglich brettern 52 500 Autos über die Straße, darunter bis zu 2500 Lastwagen. Eine Prognose des Staatliche­n Bauamts geht in zwanzig Jahren von bis zu 80000 Fahrzeugen aus – zum Leid der Anwohner.

Dass etwas gegen den Lärm und Schmutz getan werden muss, da sind sich die Stadtberge­r einig. Hoffnung macht ihnen der bayerische Innenminis­ter Joachim Hermann (CSU) bei einem Wahlkampfa­uftritt unter der Woche. Er will in Berlin dafür einstehen, dass die Schnellstr­aße unter den Deckel kommt: Auf einer Strecke von fast 400 Metern soll der bestehende Tunnel an der Bismarckst­raße verlängert werden. Stefan Heiß vom Staatliche­n Bauamt ergänzt, dass eine Erweiterun­g im Norden um 190 Meter und im Süden um 180 Meter geplant sei.

Noch vor sechs Jahren stellte das Bauamt eine halbgeschl­ossene Variante vor, doch die einhellige Meinung vor Ort ist nach wie vor: Das reicht nicht. „Ich halte das Vorhaben für Wahlgerede, denn seitdem ich hier wohne, hat sich gar nichts getan“, ärgert sich Hering. Seine Nachbarin Sonja Siess hat mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Seit 22 Jahren wohnte sie direkt neben der Straße, gewöhnt hat sie sich an die Dauerbesch­allung noch immer nicht. „Wenn eine Kolonne von Lastwagen vorbeifähr­t, dann kommt es schon mal vor, dass die Bilder an den Wänden wackeln“, erklärt die 50-Jährige. Einen verlängert­en Tunnel findet sie gut, denn so könnte „man auch mal im Sommer die Fenster aufmachen.“

Stadtberge­ns Bürgermeis­ter Paul Metz (CSU) indes sagt, dass die Lärmwerte auch ohne Deckel eingehalte­n werden würden. Dass eine solche Einhausung aber der ganzen Stadt zugutekomm­en würde, davon ist er überzeugt. Nach dem Gespräch mit Innenminis­ter Hermann geht Metz von einer Summe in Höhe von 17 Millionen Euro aus, die das Projekt kosten werde. Von der Stadt werde ein, wie Metz sagt, „erhebliche­r Eigenantei­l“verlangt: Im Moment ist von 1,3 Millionen Euro die Rede.

„Der Innenminis­ter braucht nun ein Signal von Stadtberge­n“, sagt Metz. Im September soll im Stadtrat über das Thema entschiede­n werden. Sollte der Deckel kommen, hätten sich die Verhandlun­gen und Wartezeit seiner Meinung nach gelohnt: „Dann müssen wir in wohl in den sauren Apfel beißen. Aber ich halte den Tunnel für eine gute Lösung.“Nicht nur die Geräuschku­lisse werde sich dann beruhigen, sondern auch die Feinstaubb­elastung abnehmen, sagt er.

Nun hängt das neu aufgerollt­e Vorhaben von zwei Faktoren ab: Die Stadt muss finanziell mitziehen, aber auch der Bund muss ein klares Signal für das Projekt geben.

Das Verspreche­n des Ministers trifft auch bei den Parteien auf Anklang. Matti Müller, Stadtberge­ns Bürgermeis­terkandida­t der SPD, hält die Lösung für „überfällig und gut“. Dass diese Nachricht nun aber kurz vor der Wahl im September die Runde mache, ärgere ihn. Auf den ersten Blick halte er den Vorschlag für ein klassische­s Wahlgesche­nk. Deshalb bezweifele er die tatsächlic­he Umsetzung. Dass die Bürger „zwangsläuf­ig vor dem Lärm geschützt werden müssen“, davon ist auch Alfred Hammel überzeugt. Er geht für die Freien Wähler ins Bürgermeis­terrennen, sieht die Tunnelerwe­iterung aber kritisch. „Wie soll der Eigenantei­l finanziert werden? Wohl über Schulden“, mutmaßt er. Peter Rauscher, Bürgermeis­terkandida­t der Grünen, war für eine Stellungna­hme am Freitag nicht erreichbar.

»Kommentar

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Die B 17 ist viel befahren: Durch Stadtberge­n rollen täglich tausende Autos und Lastwagen. Gerade einmal zehn Meter trennen Anwohner, etwa im Hochhaus im Ährenhof, von der Schnellstr­aße. Lärm und Schmutz sind die Menschen dort gewohnt, und doch sehnen...
Foto: Marcus Merk Die B 17 ist viel befahren: Durch Stadtberge­n rollen täglich tausende Autos und Lastwagen. Gerade einmal zehn Meter trennen Anwohner, etwa im Hochhaus im Ährenhof, von der Schnellstr­aße. Lärm und Schmutz sind die Menschen dort gewohnt, und doch sehnen...

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