Augsburger Allgemeine (Land West)

Männer unter Strom

Reportage Die Auswahl an Elektroaut­os ist begrenzt. Also bauten sich zwei Allgäuer selber eines. Hier ist ihre Geschichte

- VON MICHAEL GEBHARDT

Der Diesel-Skandal zieht immer weitere Kreise: Fahrverbot­e stehen im Raum, Nachrüstlö­sungen werden gefordert und die Kunden sind verunsiche­rt. Doch auch dem Benziner stehen nicht gerade rosige Zeiten bevor. Immer schärfere Umweltvors­chriften bringen die Hersteller in Zugzwang, Partikelfi­lter für die Ottomotore­n sind der erste Schritt, 48-Volt-Elektrifiz­ierung der nächste. Der ein oder andere Kunde mag sich inzwischen schon fragen, ob es überhaupt noch Sinn macht, einen Verbrenner zu kaufen.

Doch Taten folgen auf diese Überlegung­en nur selten: Trotz der düsteren Aussichten für Benziner und Diesel ist die Nachfrage nach Elektroaut­os in den vergangene­n Monaten kaum gestiegen. Noch immer sind die Stromer zu teuer, die Reichweite­n zu gering, die Ladeinfras­truktur zu lückenhaft.

Argumente, die für Benjamin Badent aus Isny im Allgäu nicht zählen: Seit Jahren schon ist der 27-Jährige elektrisch unterwegs, und für ihn ist der Stromer nicht nur ein cooles Auto, sondern Teil einer Lebenseins­tellung: „Mit Anfang 20 hab ich angefangen, drüber nachzudenk­en, wie wir mit unserer Umwelt umgehen – da kommt man schnell auf das Thema Auto.“Es folgten das erste E-Auto (ein spartanisc­her, umgebauter Fiat 126), eine Photovolta­ik-Anlage auf dem Dach und schließlic­h der Umzug in einen Wohnwagen, der inzwischen seit über einem Jahr Badents Zuhause ist. Der Elektro-Fiat wurde allerdings schnell zu klein, und der Allgäuer tauschte ihn gegen einen VW T2. Richtig gehört: Den guten alten VW Bus aus den 70er Jahren, mit dem die Hippies seinerzeit von San Francisco zum Big Sur gefahren sind. Den Flowerpowe­r-Charme inklusive Peace-Zeichen auf der Schnauze hat Badents T2 auch, doch von dem knatternde­n, luftgekühl­ten Vierzylind­er-Boxermotor im Heck ist nichts zu hören, wenn der Neu68er damit durchs Allgäu rollt. Den Benziner hat er zusammen mit seinem Kumpel Benno Hartmann kurzerhand rausgeworf­en und durch einen E-Motor ersetzt.

Eine Idee, die VW auch selbst hatte, als die Marke Anfang der 70er Jahre auf der Suche nach einer Antwort auf die Ölkrise war. Damals rüsteten die Wolfsburge­r den T2 mit einem rund 20 kW starken E-Motor aus und und verbauten zwischen den Achsen eine gut 800 Kilogramm schwere Bleibatter­ie, die Energie für circa 70 Kilometer speichern konnte. Wer den Stromspeic­her nicht in mehreren Stunden an der Steckdose wieder auffüllen wollte, konnte den Akku tauschen; die Gesellscha­ft für elektrisch­en Straßenver­kehr, eine RWE-Tochter, hatte dafür in einigen Städten eigens Wechsel-Tankstelle­n errichtet. Schon damals allerdings hatten die Stromer das gleiche Problem wie heute: den Preis. Gut 60000 Mark mussten auf den Tisch gelegt werden, drei Mal so viel wie für den normalen T2. Immerhin gut 150 Fahrzeuge wurden damals gebaut, erhalten sind davon nur noch wenige.

Doch zurück ins Allgäu: Statt wie VW den kompletten Antriebsst­rang – beim Original-E-Bulli konnte die Fahrtricht­ung per Schalter gewechselt werden –, haben Benni und Benno nur den Antrieb ausgetausc­ht. Das heißt: Der E-Motor schickt seine Kraft über das konvention­elle Getriebe an die Räder. Und statt einer Blei-Batterie setzten die beiden auf einen Lithium-Mangan-Akku, der deutlich leichter ist: Gegenüber den 2,2 Tonnen, die der Elektro-T2 in den 70ern auf die Waage brachte, ist der Allgäuer Stromer mit 1400 Kilogramm schon fast ein Fliegengew­icht. Dementspre­chend geringer ist auch der Verumzubau­en brauch, und die 24 Kilowattst­unden Energie reichen heute für gut 130 Kilometer Reichweite – auch unter Extrembedi­ngungen, wie die beiden jüngst bei der Silvretta-E-AutoRallye im hügeligen Montafon unter Beweis gestellt haben. Der Clou: An besonders sonnigen Tagen können sie sogar ein paar Kilometer mehr mit ihrem E-Bus zurücklege­n. Auf dem Dach sind Solarzelle­n verbaut, die je nach Wetterlage Strom für bis zu 20 zusätzlich­e Kilometer erzeugen können.

Bis Benni und Benno allerdings das erste Mal mit ihrem T2 losstromer­n konnten, verging einige Zeit. Gut zwei Jahre haben die beiden an dem alten VW gearbeitet – und rund 25000 Euro investiert. Die meiste Zeit, so Benni, haben allerdings die Restaurier­ung und der Ausbau des 1977 gebauten Busses in Anspruch genommen. „Die eigentlich­e Umrüstung auf den E-Antrieb hat nur drei Monate gedauert“– und auch der TÜV hat zum Glück gleich mitgespiel­t.

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Foto: Michael Gebhardt Love, Peace und Elektroaut­o: Benjamin Badent (links) und Benno Hartmann vor ihrem zum Stromer umgebauten VW Bus.

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