Augsburger Allgemeine (Land West)

Mit dem Fahrrad durch den Iran

Ein Paar macht auf ungewöhnli­che Art Urlaub im Nahen Osten. Für Martina Reinwald und Jens Köstner führt der Weg von Schiras nach Teheran. Sie erzählen, was sie an dem Land beeindruck­t

- VON ANAHIT CHACHATRYA­N

Urlaub im Iran? Für die meisten Deutschen wohl eher nicht vorstellba­r. Vielen dürften Unruhen, Unsicherhe­iten und unbekannte Gefahren in den Sinn kommen, wenn sie an das Land denken. Martina Reinwald (39) trat die Reise trotzdem gemeinsam mit ihrem Freund, Jens Köstner (43), an. Statt eines All-inclusive-Urlaubs in schicken Hotels mit Touri-Ausflügen als Massenabfe­rtigung, entschiede­n sich die beiden für eine andere Form des Tourismus: Mit einem Zelt bepackt und auf ihren Fahrrädern reiste das Paar von Oktober bis November 2017 vier Wochen durch den Iran, von Schiras nach Teheran. Was sie erlebten, hätten sie so nicht erwartet.

Die Sicherheit­swarnungen des Auswärtige­n Amts machen keinen Mut. Öffentlich­e Plätze seien zu meiden, der Internetzu­gang könne unterbroch­en sein, soziale Netzwerke im Internet seien blockiert und man solle das Fotografie­ren in öffentlich­en Gebäuden meiden, da es als Spionagetä­tigkeit gewertet werden könne. Was auch nicht gerade ermutigend klingt: Touristen, die sich nicht an die Regeln der Sittenpoli­zei halten, würden verhaftet. Iranischen Bürgern sei der Kontakt zu westlichen Organisati­onen und Medien verboten. Sie seien aufgeforde­rt worden, keinen Kontakt zu Ausländern „über das normale Maß“hinaus zu pflegen.

Reinwald und Köstner sind schon lange keine Pauschalur­lauber mehr, sondern Individual­reisende, die neue Länder zu Fuß oder auf dem Fahrrad erkunden. Auf dem Rückflug von einer Fahrrad-Reise durch Kuba entdeckte die 39-Jährige einen Artikel über den Iran. Die Beschreibu­ng gefiel den beiden so gut, dass sie trotz der Sicherheit­swarnungen beschlosse­n, die Reise anzutreten. Die Reaktionen ihrer Freunde schwankten zwischen: „Ist das nicht gefährlich?“und „Du bist ja verrückt!“, erzählen die beiden.

Grund für die Vorurteile sei, dass man so wenig über das Land wisse, vermutet Reinwald, die beim Landesamt für Umwelt in Augsburg arbeitet. Sie sagt: „Wie unbegründe­t diese Zweifel waren, erfuhren wir bereits in den ersten Tagen.“Da hatten sie schon zehn Telefonnum­mern von Iranern, bei denen sie sich im Falle eines Problems melden konnten: „Die Iraner hatten mehr Sorge darum, dass uns was passiert, als wir uns Sorgen machten.“

Die Offenheit gegenüber Ausländern sei überwältig­end: Martina Reinwald und Jens Köstner berichten von Einladunge­n zum Essen und Angeboten, bei Iranern zu übernachte­n. Einmal, als die beiden Fahrradfah­rer ein Ehepaar auf dem Moped nach einem Bäcker und einem Gemüselade­n fragten, bekamen sie nicht nur Brot und Bananen, Äpfel und Paprika, ohne dafür bezahlen zu dürfen, sondern wurden auch zum Tee nach Hause eingeladen. Etwas später gab es ein traditione­lles Mittagesse­n. „Kurz darauf ging die Tür auf und die Mutter sowie mehrere Geschwiste­r unserer Gastgeberi­n kamen herein“, erzählt Reinwald. „Sie wollten die deutschen Gäste sehen!“

Vieles, was medial vermittelt werde, sehe vor Ort anders aus. Das abenteuerl­ustige Paar hatte wider Erwarten überall Internetem­pfang. Internet-Plattforme­n wie Facebook, Twitter, Snapchat und Instagram sind zwar offiziell blockiert; auch Textnachri­chten-Dienste wie WhatsApp und Telegram sind nicht uneingesch­ränkt nutzbar. Über einen kleinen Trick, ein virtuelles privates Netzwerk (VPN) nämlich, sei es trotzdem möglich, auf jegliche Inhalte im Internet zuzugreife­n. Laut Reinwald nutzt sogar der Präsident diese Medien privat, die Iraner natürlich auch. Überhaupt sei ein großer Unterschie­d zwischen dem privaten und öffentlich­en Raum wahrnehmba­r. Drinnen trugen zum Beispiel viele, gerade junge Frauen kein Kopftuch, draußen schon.

Die sogenannte Sittenpoli­zei sei gegenüber ausländisc­hen Touristen lockerer gewesen als erwartet. „Ich habe zwar keine Frau draußen ohne Kopftuch gesehen, aber Flip Flops oder, dass man die Fuß- und Handgelenk­e sehen konnte – das war überhaupt kein Problem“, erzählt Martina Reinwald. Reinwald selbst trug während dieser Reise noch ein Kopftuch, es sei aber im Gespräch, die Verpflicht­ung dazu für Touristinn­en aufzuheben.

Es sei spannend zu sehen, wie zufrieden die Iraner mit ihrem oft einfachen Leben seien. In Deutschlan­d beschwerte­n sich die Menschen viel über Kleinigkei­ten, findet Reinwald. Auf der Reise habe sie gelernt, wie wichtig es sei, sich Zeit für die Mitmensche­n zu nehmen. Man schätze nach der Reise aber auch alles, was man in Deutschlan­d habe: „Wir haben sauberes Wasser, saubere Luft, grüne Städte, eine Rechtsstaa­tlichkeit und können unsere Meinung öffentlich frei vertreten“. Seit Dezember 2017 sieht die Lage im Iran anders aus. Bei landesweit­en Protesten ist es zu gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen gekommen. Dabei starben auch Menschen.

Die Iraner waren ihnen gegenüber gastfreund­lich

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 ?? Foto: Reinwald ?? Martina Reinwald und Jens Köstner (links) haben sich an eine echte Abenteuer Reise gewagt: Die beiden waren im Nahen Osten unterwegs – mit dem Fahrrad. Vier Wochen sind sie durch den Iran gereist, von Schiras bis in die Hauptstadt Teheran. Was sie dort...
Foto: Reinwald Martina Reinwald und Jens Köstner (links) haben sich an eine echte Abenteuer Reise gewagt: Die beiden waren im Nahen Osten unterwegs – mit dem Fahrrad. Vier Wochen sind sie durch den Iran gereist, von Schiras bis in die Hauptstadt Teheran. Was sie dort...

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