Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn die Milch auf die Reise geht

Ein Bauer berichtet heute Abend im Landwirtsc­haftsamt, warum der Export von Milchpulve­r Existenzen in Afrika zerstört und das Preisdumpi­ng gleichzeit­ig Höfe in Deutschlan­d sterben lässt

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Stadtberge­n Fasziniere­nd und erschrecke­nd zugleich waren die Eindrücke, die die beiden Milcherzeu­ger Johannes Pfaller und Christoph Lutze bei einer Reise durch das afrikanisc­he Land Burkina Faso gesammelt haben. Sie bekamen dort hautnah mit, welche Folgen die europäisch­e Milchpolit­ik für Entwicklun­gsländer hat. Bei einem Vortrag heute Abend im Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten Augsburg in Stadtberge­n geht der 36-jährige Milchbauer Johannes Pfaller aus Haag bei Heideck im Landkreis Roth auf das Thema ein. Eine Ausstellun­g zeigt zusätzlich Bilder der Reise, die das Bischöflic­he Hilfswerk Misereor unterstütz­t hat. Pfaller ist Mitglied im Bund deutscher Milchviehh­alter (BDM) und Vertreter des European Milk Board. Was war ihr erschrecke­ndstes Erlebnis in Burkino Faso? Johannes Pfaller: Wir waren auf einem Viehmarkt und ich besorgte mir mittags einige Teigtasche­n. Plötzlich kamen Kinder, die mir das Essen vor lauter Hunger aus der Hand gerissen und es sich sofort in den eigenen Mund gestopft haben. Ihr schönstes Erlebnis?

Pfaller: Gemeinsam mit den Menschen in den Dörfern zu tanzen. Sie haben zwar ein hartes Leben, sind aber deshalb nicht unglücklic­h. Trotzdem geht es den meisten Menschen in Afrika schlecht. Pfaller: Die EU hat die Situation verschärft, weil sie zulässt, dass billiges Milchpulve­r dort verkauft wird. Können Sie die Hintergrün­de erklären? Pfaller: Nach der Abschaffun­g der Quotenrege­lung stieg die Milchmenge bei uns kontinuier­lich an. Milch wurde zu Pulver verarbeite­t und ein Teil eingelager­t. Ein anderer Teil wurde in Drittlände­rn verkauft. Das ist doch eigentlich gut. Schließlic­h beschert uns der Export Geld und sichert hier Jobs. Gerade die Molkereien in Schwaben haben viele Beschäftig­te. Pfaller: Deutschlan­d ist doch nur geworden, weil es hochwertig­e Produkte verkauft und nicht Dumping-Massenware. Milch ist ein sensibles Produkt und nicht mit Autos oder Computern zu vergleiche­n. Ich bin für freie Marktwirts­chaft und Export. Er darf aber nicht schaden, sondern muss eine Wertschöpf­ung haben. Aber Afrika kann doch als Importland Milchpulve­r gebrauchen. Pfaller: Richtig. Das Problem war nur die zu große Menge und der zu niedrige Preis. Wie sehen die Auswirkung­en vor Ort aus, die Sie erlebt haben? Pfaller: Der afrikanisc­he Milchbauer in Burkina Faso hat ein bis zwei Kühe. Er braucht mindestens einen Milchpreis von 50 bis 60 Cent, um überleben zu können. Am Tag kommt bei ihm dann etwa ein Euro zusammen. Durch das billigere europäisch­e Milchpulve­r wird sein selbst hergestell­tes Produkt allerdings vom Markt verdrängt. Andere Einkommens­möglichkei­ten haben die Kleinbauer­n nicht. Sie bleiben damit auf der Strecke. Der europäisch­e Export zerstört also auch Entwicklun­gshilfe? Pfaller: Genau. Dazu kommt, dass es in Afrika ein riesiges Flüchtling­sproblem gibt. Und die EU fördert es. Das Dumping hat übrigens auch in Deutschlan­d Folgen. Wie schauen die aus?

Pfaller: 2015 haben 4000 Landwirte wegen der Milchkrise aufgehört. Das ist dramatisch. Durch eine poliExport­weltmeiste­r tische Entscheidu­ng haben die europäisch­en Milchbauer­n an Einfluss verloren. Gleichzeit­ig zahlt der Steuerzahl­er dafür, dass die Übermengen gelagert werden können. Es gibt eigentlich nur Verlierer. Bei uns genauso wie in Afrika. Die einzigen, die sich freuen, sind diejenigen, die viel billige Ware bekommen – das ist die Milchindus­trie. Wie könnte die Lösung aussehen?

Pfaller: Wir müssen uns unter anderem bei der Produktion ganz stark nach der Nachfrage orientiere­n. Das heißt: Wir dürfen nur das produziere­n, was der Markt auch verträgt. Gibt es überhaupt noch ein Zurück?

Pfaller: Es gibt immer ein Zurück. Der Markt wird von Menschen gesteuert und gelenkt. Wir können morgen schon den Weg anders gehen. Dass es funktionie­rt, haben wir 2017 gesehen: Deutschlan­d hat mit dafür gesorgt, dass ein europaweit­es Mengenredu­ktionsprog­ramm aufgelegt wurde. Es hat sehr gut gewirkt. O Termin Der Vortrag zur Ausstellun­gs eröffnung von Johannes Pfaller (eine Veranstalt­ung der Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft und des BDM) findet am heutigen Donnerstag, 15. Februar, um 20 Uhr im Landwirt schaftsamt in Stadtberge­n statt. Einlass ist um 19.30 Uhr. Die Ausstellun­g ist zu den Öffnungsze­iten des Amts von Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr und nach Vereinbaru­ng mit Andrea Eiter (abl bay ern@web.de) zu sehen. I

Infos im Internet: www.aelf au.bayern.de

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Foto: Marcus Merk Es klingt paradox und ist doch so: Während in Deutschlan­d immer mehr Milchbauer­n aufgrund zu niedriger Erzeugerpr­eise aufgeben müssen, wird nach Afrika so viel Milch pulver so billig exportiert, dass dort die Existenzen von Kleinbauer­n zerstört werden.
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Johannes Pfaller

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