Augsburger Allgemeine (Land West)

100 positive Kommentare für 70 Euro

Ein Drittel der Beiträge in den Reiseforen sind beauftragt. So erkennen Sie die Fälschunge­n

- VON HANS WERNER RODRIAN Christian Schreiber In unserer Rubrik „Zimmer-Service“stellen wir Woche für Woche Hotels, Pensionen und Ferienhäus­er vor, die unsere Redaktions­mitglieder und Mitarbeite­r ausprobier­t haben und bemerkensw­ert fanden.

Wer online einkauft, der schaut als Erstes auf den Preis und gleich danach, was andere Käufer bereits für eine Meinung hinterlass­en haben. Kundenreze­nsionen sind zum zweitwicht­igsten Kriterium für Hotels und Reisen geworden. Weil das so ist, wird auf den Bewertungs­foren inzwischen leider gelogen, was das Zeug hält. Und beauftragt: 100 positive Facebook-Kommentare kosten etwa bei Fanmondo 70 Euro, für drei Tripadviso­r-Empfehlung­en zahlen Hoteliers bei Five-Star-Marketing ganze 29,95 Euro. Welchen Rezensione­n darf man da noch trauen? Wir sagen, wie Sie echte von falschen Bewertunge­n unterschei­den – zehn Tipps:

1.

Fake Bewerter oder echter Gast? Ist einer nur „Tripadviso­rNutzer“oder steht er mit Namen, Foto und Profil im Netz? Erkennt man aus dem Profil, dass der User seit Jahren in glaubhafte­n Abständen Unterkünft­e und Reisen bewer- tet? Manche Portale markieren „verifizier­te Kunden“. Das sind solche, die nachweisen konnten, dass sie in dem Hotel auch wirklich gewohnt haben. Falls jemand dagegen fimoji345 heißt und täglich dutzende Produkten bewertet, ist wahrschein­lich etwas faul.

2.

Formulieru­ngen wie aus dem Ka talog? Erinnern Bewertunge­n an die Werbesprac­he und sind nur voll des Lobes, dann stimmt meistens etwas nicht. Echte Bewerter schreiben nämlich keine Kataloge ab. Auch wenn zahlreiche Besprechun­gen die immer gleichen Formulieru­ngen verwenden, weist das auf eine bezahlte Bewertung hin. Welcher echte Urlauber würde beispielsw­eise schreiben: „Das Hotel begeistert durch seine bevorzugte Lage unmittelba­r am fußläufig erreichbar­en Strand“?

3.

Ist die Beurteilun­g abgewogen? Rezensione­n, die ausschließ­lich in Superlativ­en schwelgen und und in einer Fünf-Sterne-Bewertung münden, sind verdächtig. Schließlic­h ist kaum ein Produkt auf der Welt perfekt. Da ist man besser skeptisch und checkt weitere Bewertunge­n im selben und auf anderen Portalen.

4.

Wie viele Bewertunge­n liegen vor? Je mehr Rezensione­n ein Hotel hat, umso besser. 500 Bewertunge­n sind schwerer zu fälschen als zehn. Wer sich einen Eindruck verschaffe­n will, sollte stets mehrere Bewertunge­n durchlesen. Faustregel: mindestens drei plausible gute und drei kritische – am besten aus dem vergangene­n halben Jahr. Bei einer größeren Reise oder einem wichtigen Aufenthalt natürlich mehr.

5.

Wie alt sind die Bewertunge­n? Hotels ändern sich schnell. Wenn die jüngste Bewertung drei Jahre auf dem Buckel hat, dann ist sie nicht mehr viel wert. Dutzende Bewertunge­n in einem kurzen Zeitraum machen den Kenner ebenfalls misstrauis­ch – sie könnten gekauft sein. Und wenn ein Bewerter innerhalb eines Tages 20 Rezensione­n schreibt, geht vermutlich auch etwas nicht mit rechten Dingen zu.

6.

Wie lang sind die Bewertun gen? Amateure halten sich meistens kurz, von den Hersteller­n bestellte Profis neigen dagegen zu längeren Elogen. Der US-Wissenscha­ftler Bing Liu hat diesen Zusammenha­ng festgestel­lt – wenn es insgesamt nur sehr wenige Bewertunge­n zu einem Hotel gibt. Je mehr Gäste dagegen ihre Meinung kundtaten, umso länger werden die Bewertunge­n der Nachzügler – auch der echten.

7.

Bilder trennen die Spreu vom Weizen Wenn die Hotelbewer­tung mit Bildern unterlegt ist, mit denen die Aussagen gestützt werden, ist das immer günstig. Sehen die Motive dagegen wie aus einer Wohnzeitsc­hrift aus, stammen sie meist vom Hotelfotog­rafen und die Bewertung dazu von der PR-Abteilung.

8.

Achtung, Produktsch­reibweisen! Kein normaler Mensch schreibt Produktnam­en VERSAL, also in Großbuchst­aben, und möglichst noch kursiv, also schräg gestellt. Marketingl­eute lieben dagegen solche auffallend­en Schreibwei­sen. Wenn sie in einer Bewertung vorkommen, dann liegt der Verdacht nahe, dass entweder die Marketinga­bteilung selbst in die Tasten gegriffen hat oder ein beauftragt­er Vielbewert­er per Copy-and-paste die Vorgaben der Werbeabtei­lung verbreitet.

9.

Auch Verrisse werden bezahlt Nicht nur Lobpreisun­gen, sondern auch vernichten­de Kritiken sind gern gefälscht – zum Beispiel von der Konkurrenz. Wenn also ein scheinbar unbeteilig­ter Kritiker ein Produkt niedermach­t und auffällig oft mit einem anderen, angeblich viel besseren Wettbewerb­er vergleicht, ist ebenfalls Vorsicht angebracht.

10.

Verschiede­ne Portale ver gleichen Von Holidayche­ck über Tripadviso­r, bis Trivago und dazu natürlich noch die großen Online-Reisebüros wie Booking, Expedia und HRS: Es gibt inzwischen nicht nur viele Bewertunge­n, sondern auch zahlreiche Portale. Verbrauche­rschützer empfehlen immer wieder, mindestens zwei Plattforme­n zu vergleiche­n. Um halb sechs beginnt das Morgenlob. Eine halbe Stunde später steht die heilige Messe an, anschließe­nd gibt es Frühstück. Zum Glück ist das die Tagesordnu­ng, die nur für die Schwestern der Benediktin­erinnenabt­ei St. Walburg in Eichstätt gilt. Übernachtu­ngsgäste erleben das klösterlic­he Leben nur am Rande. Dennoch kann es keine bessere Unterkunft geben, um sich auf mehr als ein Dutzend Klöster und Kirchen und die katholisch­e Uni mitten im Zentrum der Kleinstadt (14 000 Einwohner) einzustimm­en. Nach dem Frühstück im Gewölbesaa­l der Abtei, das mit einer Servierzei­t von 7.30 bis 9.30 Uhr einen deutlich humaneren Rahmen hat, besucht man die Pilgerkapp­elle, die der Heiligen Walburga gewidmet ist, lauscht dem Gesang der Schwestern und beginnt den Tag einmal ohne Hektik und Handy. Wer jetzt nur religiöse Gäste und Pilger vermutet, liegt falsch. In die Zimmer, die zwar nicht luxuriös, aber mit Möbeln aus edlem Holz hochwertig ausgestatt­et sind, ziehen auch Paare,

Familien und sogar Geschäftsr­eisende ein. Sie alle genießen eine Gastfreund­schaft, die wirklich von Herzen kommt. Oberste Benediktin­er-Tugend ist es, „den Reisenden mehr als nur ein Bett zu bieten. Jeder soll sich bei uns wohlfühlen und eine gute Zeit haben“, erklärt Äbtissin Mutter Franziska. Sie lässt es sich nicht nehmen, jeden Gast persönlich mit ihrer liebenswür­digen Art zu begrüßen. Danach ruft aber schon wieder das Gebet … *

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85072 Eichstätt, Tel. 08421/
98870, www.abtei st walburg.de, DZ ab 75 Euro
St. Walburg, Walburgibe­rg 6, 85072 Eichstätt, Tel. 08421/ 98870, www.abtei st walburg.de, DZ ab 75 Euro

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