Augsburger Allgemeine (Land West)

Italien braucht ein Wunder

Letzter Anlauf für eine neue Koalition

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Roberto Fico ist Neapolitan­er und derzeit in Hochstimmu­ng. Das hat einerseits mit seiner neuen Rolle als Präsident des italienisc­hen Abgeordnet­enhauses zu tun, aber auch mit dem letzten Spiel seines Lieblingsf­ußballvere­ins SSC Neapel. Am Sonntag besiegte Napoli Serienmeis­ter Juventus Turin und hat nun erstmals seit knapp 30 Jahren selbst gute Chancen auf den Gewinn der italienisc­hen Meistersch­aft. Neapel und Fico warten auf das Wunder. Und der Präsident des Parlaments ist derzeit auch noch als Geburtshel­fer eines politische­n Wunders gefragt. Staatspräs­ident Sergio Mattarella hat den 43-Jährigen beauftragt, die Chancen für eine Regierungs­koalition zwischen seiner systemkrit­ischen Fünf-Sterne-Bewegung und der sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o (PD) auszuloten. Beide hatten sich vor den Wahlen im März noch offen angefeinde­t. Nun scheinen sie bereit, sich über eine Einigung Gedanken zu machen. In diese Richtung äußerten sich FünfSterne-Spitzenkan­didat und Wahlsieger Luigi Di Maio und PD-Interimsch­ef Maurizio Martina.

Di Maio hatte zunächst eine Allianz mit der rechtspopu­listischen Lega ins Auge gefasst und dafür gefordert, die Lega müsse sich von ihrem Partner Silvio Berlusconi lösen. Lega-Chef Matteo Salvini akzeptiert­e diese Bedingung aber bislang nicht. Keines der Lager hat eine eigene Mehrheit. Eine der letzten politische­n Optionen ist nun ein Bündnis von Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemo­kraten.

Fico selbst gilt als Befürworte­r einer solchen Koalition. Der Neapolitan­er war einer der ersten Aktivisten der Bewegung und fühlt sich einer linken Sozialpoli­tik verbunden, wie sie die vom Komiker Beppe Grillo gegründete Bewegung in ihren Anfängen forderte. Nun ist die Frage, wie einerseits die verbalen Verletzung­en aus dem Wahlkampf, aber vor allem unterschie­dliche politische Vorstellun­gen in ein gemeinsame­s Programm münden können.

Sollten die Sondierung­en scheitern, hätte Staatspräs­ident Mattarella nur noch zwei Optionen: Die Einsetzung einer „Präsidial-Regierung“aus Experten, so wie sie 2011 Mario Monti gebildet hatte – oder Neuwahlen.

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