Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Star der klaren Linien

Peter Zumthor wird 75, baut in seiner Heimat Basel und bleibt natürlich

- Christiane Oelrich, dpa

Basel Die Stimmung, das Klima, die Wolken, das Licht: Wer Peter Zumthor über seine Projekte reden hört, denkt nicht sofort an Beton und Steine oder Gebäudedes­ign. So ist der Stararchit­ekt aber, er baut, um Einklang mit der Natur herzustell­en, um emotional zu berühren. Er baut in Los Angeles an einem Museum, in Südkorea eine Bibliothek und in Antwerpen ein Hochhaus. Sieben, acht Projekte gleichzeit­ig: für den Schweizer kein Problem. Kürzertret­en – kein Thema: „Ich arbeite gerne, es hält mich am Leben, warum sollte ich?“Am heutigen Donnerstag wird Zumthor 75.

Zumthor-Bauten haben klare Linien und hochwertig­e Materialie­n, etwa das Kunstmuseu­m Kolumba des Erzbistums Kölns, das Kunsthaus Bregenz oder die Therme Vals im Schweizer Graubünden. Er hat zahlreiche Preise gewonnen, darunter 2009 den Pritzker, der Nobelpreis der Architekte­n. Die Jury lobte die „zeitlose Präsenz“seiner Bauten: „Er hat das seltene Talent, klare und strenge Denke mit einer wahren poetischen Dimension zu verbinden – daraus entstehen Arbeiten, die nie aufhören zu inspiriere­n.“

Zumthor selbst sagt: „Es klingt jetzt vielleicht ein bisschen hochgestoc­hen, aber ich bin KünstlerAr­chitekt.“Er hat gerade am Museum Fondation Beyeler in Basel die Erweiterun­gsbauten konzipiert, darunter ein Haus der Kunst und einen Pavillon für Veranstalt­ungen, die sich in die Parklandsc­haft integriere­n werden. Die Grundstein­legung ist 2020 geplant. Ein Heimspiel für Zumthor. Er lebt und arbeitet zwar seit mehr als 40 Jahren in Graubünden, aber: „Hier kenne ich die Wolkenbild­er, hier weiß ich, wie der Wind weht.“Und: „Ich kenne Wetter, Licht, Jahreszeit­en und weiß, wie Material bei Regen aussieht.“Nicht zu vergessen das menschlich­e Klima. „Je weiter weg ich bin, desto länger brauche ich, um zu verstehen, was die Leute meinen, wenn sie sagen, was sie wollen.“

Das Verstehen war auch in Berlin so eine Sache. Zumthor hatte 1993 den Zuschlag für das Museum „Topographi­e des Terrors“bekommen, das Dokumentat­ionszentru­m zur Aufarbeitu­ng NS-Zeit. Im Grunde hätte er gleich zu Anfang merken müssen, dass das problemati­sch werden könne, sagt er. Zu viele Beteiligte, zu viele Sonderwüns­che. Trotzdem blieb er zehn Jahre dabei, bis Berlin den Bau 2004 stoppte. Aus Kostengrün­den, wie der Senat sagte. Aus politische­n Gründen, heißt es aus Zumthors Büro. Berlin und der Architekt trennten sich im Streit. Heute sagt er: „Das ist Geschichte, die Wunden sind vernarbt.“

Und apropos Berlin: Den Reichstags­umbau von Kollege Norman Foster mit der begehbaren Glaskuppel findet Zumthor gut. Es freut ihn, dass die Besucher hoch oben über den Köpfen der Parlamenta­rier flanieren können. Zum Abriss des Palastes der Republik, des Sitzes der einstigen DDR-Volkskamme­r, dagegen: „Schade, das hätte erhalten werden sollen. Ich finde, man muss mit seiner Geschichte leben“, sagt Zumthor.

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Foto: dpa

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