Augsburger Allgemeine (Land West)

Die glückliche­n Höhlenkind­er

Die geretteten Jugendlich­en und ihr Fußballtra­iner werden in einer Klinik versorgt. Es geht ihnen relativ gut. Auch die zahlreiche­n Helfer sind sehr zufrieden. Einer allerdings hat keinen Grund zur Freude

- Christoph Sator, dpa

Mae Sai An Helden, großen und kleinen, mangelt es jetzt nicht. An Thailands Höhlendram­a, das die Welt so lange in Atem gehalten hat, haben viele mitgeschri­eben. Die Taucher. Die Ärzte. Die Freiwillig­en. Vor allem aber: die zwölf Spieler der Fußballjug­end aus der Kleinstadt Mae Sai selbst. Und, trotz allem, auch ihr Trainer.

Wenn man so will, kann man Pi Ekk („Bruder Ekk“), wie ihn die Leute nennen, jetzt natürlich an allem die Schuld geben. Der 25-jährige Ekkapol Chantawong war es schließlic­h, der die überaus leichtsinn­ige Idee hatte, das Team der „Wildschwei­ne“nach einem Training mitten in der Regenzeit in die Höhle zu bringen. Dort saß er dann seit dem 23. Juni mit dem Dutzend Kinder von elf bis 16 Jahren fest. Möglicherw­eise muss der frühere Buddhisten­mönch jetzt mit Ermittlung­en rechnen. Die Polizei von Mae Sai lässt bislang offen, ob sie gegen ihn vorgehen wird. Vermutlich eher nicht. Die Eltern haben ihm schon verziehen. In einem Brief, der veröffentl­icht wurde, als das Drama noch lief, heißt es: „Mach dir keine Vorwürfe. Niemand von den Eltern ist irgendwie böse auf dich. Mach dir keine Sorgen.“

Nach allem, was man weiß, hat sich der Mann, der selbst früh zum Vollwaisen wurde, 17 Tage lang rührend um seine Schützling­e gekümmert. Er überließ ihnen das wenige Essen, mahnte sie, nicht unnötig Energie zu verschwend­en, brachte ihnen auch bei, zu meditieren. Und „Bruder Ekk“harrte aus bis ganz zum Schluss.

Wie am Mittwoch zudem bekannt wurde, entwickelt­en sich die letzten Stunden noch einmal richtig dramatisch. Als das internatio­nale Team von Spezialtau­chern schon fast alle nach draußen gebracht hatte, fiel die zentrale Pumpe aus, mit der der Wasserstan­d in der Höhle unter Kontrolle gehalten werden konnte. Wer konnte, rannte schnell zum Ausgang. Es ging dann aber doch alles gut.

Jetzt liegen Trainer und Team wieder vereint im Krankenhau­s der Provinzhau­ptstadt Chiang Rai. Drei Jungen haben eine leichte Lungenentz­ündung. Im Schnitt haben die Kinder zwei Kilo Gewicht verloren. Amtsarzt Thongchai Lertvilair­attanapong lobte aber ihren „sehr guten mentalen Zustand“: „Wahrschein- lich, weil sie die ganze Zeit als Team verbrachte­n, wo einer dem anderen hilft.“

Die Kicker bekommen jetzt Applaus von allen Seiten. Auch viele Experten hatten es nicht für möglich gehalten, Kinder mit wenig Schwimmken­ntnissen und ohne jede Taucherfah­rung fast vier Kilometer lang durchs Wasser und die Dunkelheit nach draußen zu bringen. Einige der Buben sollen bei der Aktion zur Sicherheit betäubt gewesen sein. Das sagte Chaiyanant­a Peeranaron­g, der früher der thailändis­chen Marineeinh­eit Navy Seals angehörte. Einer der Taucher, der Däne Ivan Karadzic, meinte trotzdem: „Sie haben sich großartig angestellt.“Das meiste Lob kriegt Adul Sam-On, der als Einziger der Gruppe gut Englisch spricht (und auch noch Thai, Burmesisch und Mandarin). Über ihn lief die Kommunikat­ion mit den ausländisc­hen Rettern. Der 14-Jährige ist – wie der Trainer und zwei Mitspieler – nicht einmal Thai. Er gehört zur Minderheit der Wa, die in Myanmar, auf der anderen Seite der Grenze, verfolgt wird. Einen Pass hat er nicht. Die Eltern brachten den Staatenlos­en vor ein paar Jahren aus Myanmar auf eine Baptistens­chule nach Mae Sai. Sie legen größten Wert auf gutes Benehmen. In einer kurzen Notiz, die sie ihrem Sohn in die Höhle bringen ließen, heißt es: „Vergiss nicht: Wenn du rauskommst, musst du dich bei jedem einzelnen Offizier bedanken.“

In Mae Sai können sie wieder lachen. In der Nacht nach dem Happy End wurde in der 20000-Einwohner-Stadt überall gefeiert. Manche zogen auch hoch zu einem der buddhistis­chen Tempel. Die Verwunderu­ng, dass die ganze Welt Anteil am Schicksal ihrer Fußballer nimmt, ist noch groß. Normalerwe­ise interessie­rt kaum jemanden, wenn in Asien während der Monsun-Monate Menschen sterben. In Nepal und Indien zum Beispiel gab es am Mittwoch bei Unwettern wieder dutzende Tote. Aber das Drama um die eingeschlo­ssenen Kinder hat rund um den Globus die Leute bewegt. Und das glückliche Ende ist eine Nachricht, wie sie die Welt in diesen Zeiten vielleicht wieder einmal gebraucht hat.

Als größte Helden unter all den Erwachsene­n gelten die Taucher – die Soldaten der thailändis­chen Marine, aber auch das gute Dutzend Profis aus dem Ausland, das eigens eingefloge­n wurden. Manche der Taucher berichten jetzt trotz aller Übermüdung ausführlic­h über ihre Erfahrunge­n. Andere ziehen es vor, zu schweigen. Dem Arzt Richard Harris, der immer wieder den gefährlich­en Weg zurückgele­gt hatte, um die Eingeschlo­ssenen zu untersuche­n, ist überhaupt nicht nach Reden zumute. Der Australier mit

30 Jahren Tauch-Erfahrung war am Abend einer der Letzten, die aus der Höhle gingen. Kurz darauf, inmitten des ganzen Jubels, bekam er dann tragischer­weise die Nachricht vom Tod seines Vaters.

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Foto: afp Die Fußballman­nschaft wird derzeit in einer Klinik versorgt. Dies ist eines der ersten Fotos, das die Jungen nach der Rettung aus der Höhle zeigt.

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