Augsburger Allgemeine (Land West)

Der König, der nah am Wasser gebaut hat

Der EM-Titel löst bei Ulms Europameis­ter Arthur Abele auch am Tag nach dem Sieg wieder Tränen aus

- VON ANDREAS KORNES

Berlin Drei Bierchen, dann hatte Arthur Abele am späten Mittwochab­end genug. Zwei lange, heiße Tage lagen da hinter ihm. Ein Zehnkampf zehrt, das kann selbst der Gewinner einer Goldmedail­le nicht übertünche­n. Gegen drei Uhr fiel Abele in sein Berliner Hotelbett. Vermutlich nahm er erst in diesem Moment die Papp-Krone vom Kopf. Diese hatte man ihm aufgesetzt, als nach dem abschließe­nden 1500-Meter-Lauf endgültig feststand, dass der Ulmer Europameis­ter ist.

All die Interviews nach dem grandiosen Sieg absolviert­e er mit Krone und Deutschlan­dfahne über den Schultern. Schrieb Autogramme, lächelte in dutzende Handykamer­as. Und genauso gewandet lief er auch gegen 1 Uhr im Deutschen Haus ein. Dem neuen Europameis­ter hatten all die Gratulante­n keine Zeit gelassen, sich zumindest Wettkampfh­ose und Shirt auszuziehe­n. Abele dürfte das herzlich egal gewesen sein. Der Abend und die Nacht seien wie im Rausch an ihm vorbeigezo­gen, sagte er gestern Vormittag und musste schlucken, als ihm erneut die Tränen in die Augen traten.

Tief im Innersten brodelten immer noch all die Emotionen, die sein Sieg entfesselt hatte. 37 000 Zuschauer hatten dem größten Erfolg des 32-Jährigen einen würdigen Rahmen beschert. Im Ziel hatte Abele erst ungläubig geschaut. Fast, als könne er der Sache noch nicht trauen. Unzählige Verletzung­en hatten ihn immer wieder zurückgewo­rfen. Sollte er nach so viel Pech endlich Glück haben? Als ihm bewusst wurde, dass die Antwort ja ist, bahnten sich die Tränen ihren Weg. „Da ist so viel zusammenge­kommen. All die Rückschläg­e, die ganzen Arschtritt­e, die ich bekommen habe. Endlich hat es sich ausgezahlt, dass ich nie aufgegeben habe“, sagte er am nächsten Tag. Dabei hatte er Anfang des Jahres die Saison schon abgehakt. Sein kleiner Sohn hatte einen Virus aus der Kita mit nach Hause gebracht, der sich bei Abele im Kopf festsetzte und eine Gesichtslä­hmung auslöste. Erst mit Kortison in hohen Dosen bekamen die Ärzte das Problem in den Griff. Mit der Nebenwirku­ng, dass Abele sechs Kilo zunahm. Das wiederum bewirkte massive Probleme mit der Achillesse­hne. „Ich konnte erst ab März richtig trainieren, aber von da an ging es steil bergauf.“Jetzt ist er Europameis­ter.

Schnell habe er gewusst, dass es diesmal was werden kann. Nur einmal kam Abele kurz ins Wanken. Beim Stabhochsp­rung blieb er auf

4,60 Meter hängen. „Das war heftig und hat mich mental richtig geschlauch­t. Aber mit dem Speer war der erste Versuch gleich richtig gut und da wusste ich, es läuft wieder. Ich war hellwach und dachte mir nur: Hey, jetzt bist du mal dran.“

Bis 2020 will Abele seine Karriere fortsetzen. Im kommenden Jahr findet die Weltmeiste­rschaft in Doha statt, dort dürften ähnliche Temperatur­en herrschen wie dieser Tage in Berlin. Das große Ziel sind aber die Olympische­n Spiele in Tokio. „Ich hoffe, ich kann den Schub dieser Europameis­terschaft mitnehmen“, sagte der Ulmer.

Aus dem eigenen Lager kommt allerdings starke Konkurrenz. Deutschlan­d hat momentan neun Zehnkämpfe­r, die sich jenseits der

8000-Punkte-Marke bewegen. „Die Jungen drücken mit aller Macht. Ich bin jetzt der Gejagte,“kündigte Abele an. „Das ist aber eine Rolle, die ich gerne annehme.“

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Foto: Jan Huebner Ein überwältig­ter Arthur Abele mit Pappkrone: Der 32 jährige Zehnkämpfe­r ist jetzt Europas König der Leichtathl­eten.

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