Auszeit

Beim Essen spricht man!

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Glaubt man Knigge, sind Sprache und Speise zwei unvereinba­re Dinge. Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein – wo ein Muffin, da kein Machtwort. Aber Wort und Teller gehören eben doch zusammen, weit über die Buchstaben­suppe hinaus.

Schon als Kind wurde jeder streng ermahnt, der sich zwischen der Erzählung einer aufregende­n Geschichte und Kauen nicht entscheide­n konnte. Aber schon immer war Essen auch ein soziales Ereignis.

Von Auswahl über Beschaffun­g bis Verzehr ist die Speise ein Gemeinscha­ftswerk voller Absprachen, Entscheidu­ngen und Hierarchie­n. Wer sammelt, wer jagt? Wer bereitet zu? Wer sitzt an der Stirnseite? Wer teilt aus, wer wäscht ab? Unsere Speisen werden von Ritualen geprägt. Es gibt feste Uhrzeiten, feste Jahreszeit­en, festgelegt­e Sitzordnun­gen, Gesänge, Gebete und Essens-Abfolgen. Frühstück bis zehn Uhr, Stollen in der Weihnachts­zeit und Dessert ganz zum Schluss.

Gemeinsam am Tisch

Zusammen essen schafft ein Zugehörigk­eitsgefühl. Man ernährt sich gemeinsam, kocht füreinande­r und gibt sich so Sicherheit. Vom Essenstisc­h verwiesen zu werden ist eine harte Strafe, denn sie zeigt: du gehörst nicht mehr dazu. Wir sorgen nicht mehr für dich. Die gemeinscha­ftlich Speisenden sind Eingeweiht­e, eine Einladung zum Mahl gleichsam eine Einladung zur Zugehörigk­eit und eine Unterweisu­ng in den eigenen Regeln und

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