Auszeit

DAS WAR'S DANN WOHL

Da war es wieder, dieses Gefühl, nicht mehr ehrlich lachen zu können. Nicht mehr interessie­rt zuzuhören, wenn sie mir etwas erzählt. Gemeinsame Zeit? Lieber mit den Jungs. Und all diese kleinen Lügen, um es hinauszuzö­gern – das Ende einer Beziehung.

- ALEXANDER SACHS

Als ob ich diese vermeintli­ch so plötzliche Ahnung, diesen Moment der Ehrlichkei­t nicht schon länger habe heran schleichen sehen. Beim mir war es immer dieser eine Augenblick der Erkenntnis gewesen, wo ich gespürt habe, dass diese Beziehung keine Zukunft mehr hat. All die Kränkungen, Verletzung­en und falschen Wahrheiten, die ich seit geraumer Zeit hingenomme­n hatte, um die Beziehung aufrechtzu­erhalten, hatten nun endlich ihren Tribut gefordert. Stück für Stück hatten sie sich einen Weg gebahnt, bis zu diesem kleinen fiesen Moment – Stopp. Bis hierhin und keinen Schritt weiter.

Oh du fröhliche

„Ich kann nicht mehr“– dieses Mal hörte ich mich das ausgerechn­et zwischen Weihnachte­n und Silvester sagen. Da halfen auch keine Ausreden mehr. Ich wollte nicht schon wieder eine Feier mit Freunden zum Schauspiel meiner Noch-Beziehung werden lassen. Ich wollte das neue Jahr wirklich neu beginnen. Mit aller Konsequenz. Wer jemanden verlässt, mag zunächst der prädestini­erte Part von beiden sein. Man bleibt zumindest nicht als Verlassene­r zurück. Was bleibt, ist jedoch nicht nur das miese Gefühl von verlorener Hoffnung, das ein „Aus“mit sich bringt. Dies auch noch einem Menschen mitteilen muss, der einen immer noch liebt, jemanden zu verletzen, der in einem seine Zukunft gesehen hat und der mit dir im Vertrauen einen gemeinsame­n Weg gehen wollte – für mich gibt es kaum eine schlimmere Situation.

Gedankengä­nge

Über einen Monat lang haderte ich mit dem Gedanken, um mich dann in letzter Konsequenz endlich dazu durchzurin­gen. Für eine Trennung gibt es ja nie den richtigen Moment. Es ist ja immer so ein „Augen zu und durch“in der Hoffnung, dass dein Gegenüber nicht in Tränen ausbricht. Nach dem Gespräch mit ihr ging ich mit zwei Herzen in der Brust nach Hause. Ich war erleichter­t, anderersei­ts zweifelte ich, ob das jetzt so richtig war. Hätte ich mich vielleicht doch mehr drauf einlassen sollen? Ich ging im Geiste unsere Zeit durch. Mandy und ich waren 1,5 Jahre zusammen. Ich erinnerte mich an viele schöne Erlebnisse und Erfahrunge­n mit einer Frau, der ich sehr nah sein durfte. Was zurück bleibt sind Gedanken an einen lieb gewonnenen Menschen, den man nun verletzt hinter sich lässt. Aber sollte ich weiter Liebe heucheln, nur um nicht zu verletzen? Mir ist das zu unehrlich.

Als ich jünger war, hatte ich dieses

Spiel aus Unerfahren­heit gespielt, bis ich gemerkt habe, dass dabei beide nur verlieren können. Aber was hat man nicht alles gemacht – aus Unwissen, jungem Stolz und naiver Liebe, um sich mit dem Herzen zu verrenken. Heute kann ich darüber herzlich lachen und über meine Torheiten vermutlich Bücher füllen, aber wer nicht?

Was danach kommt

Ich weiß nicht, wie viele Beziehunge­n nur noch aus Gewohnheit und Angst vor dem Alleinsein existieren. Ein liebloses Nebenbei statt eines herzlichen Miteinande­rs. Für mich war das ab einem gewissen Erfahrungs­grad einfach keine Option mehr. Zu häufig habe ich in meiner eigenen Familie gesehen, was das aus einem Menschen macht. Wenn dir ein 63-jähriger, gestandene­r Mann erzählt, dass er für das Leben, das er gerne geführt hätte, einfach die falsche Frau gehabt hat (und noch immer hat) und dabei sein Gesicht für einen kurzen Moment alles ausdrückt, was er über die letzten 37 Jahre gefühlt hat – nein, danke! Dann lieber ein schmerzlic­h-ehrlicher Abschied, um beide für eine neue Zukunft frei zu geben.

Aber was kommt danach? Der Austausch von Geborgtem, der Abschied von einem Freundeskr­eis, das Zurückgebe­n von Schlüsseln? Das alles kann sich über Monate hinweg ziehen und jedes Mal stehst du wieder vor deiner Ex, die die Hoffnung in deinen Augen sucht, dass du es dir vielleicht doch noch mal anders überlegt hast. Und auch wenn du dir noch so Mühe gibst, jedwedes Relikt verschwind­en zu lassen, findest du in stillen Momenten dennoch einen Teil des Menschen, den du gerade aus deinem Leben manövriert hast: Unterm Bett, in einer Schublade, in einer schönen Erinnerung. Eine Trennung kann man noch so konsequent durchziehe­n, Abschied und Loslassen kommen nicht selten in schmerzhaf­ten Raten.

Alles auf Anfang

Nach unserer Trennung war ich in einem Zwischenzu­stand aus Rückblick und dem beflügelte­n Gefühl neuer Möglichkei­ten. Nach der anfänglich­en Euphorie zurückgewo­nnener Freiheit, zu viel Alkohol mit Freunden, installier­ten Dating-Apps, unverbindl­ichen, gescheiter­ten und erfolgreic­hen Dates, sind sie trotz allem schnell wieder da: Die einsamen Sonntagabe­nde, an denen du trotz bunter Single-Zeit wieder vor Augen geführt bekommst, dass du allein bist. Vorbei die geplanten Wochenende­n und schönen Erlebnisse zu zweit. Dieses Jahr leider kein Sommerplan! Stattdesse­n die Herausford­erung, sich wieder mit sich selbst zu beschäftig­en. Meist flüchte ich mich dann in Aktivitäte­n, treibe mehr Sport, ernähre mich bewusster. Gerade Sport ist für mich immer die kleinste und einfachste Gefälligke­it, die man sich antun kann. Es ist wie ein Automatism­us, ganz so, als ob mein Körper einen Selbstheil­ungsprozes­s

startet, weil Kopf und Herz mit der neuen Situation überforder­t sind.

Fragen über Fragen

Was habe ich falsch gemacht? Lag es an ihr? Habe ich mich verbogen und bin dabei an mir selbst vorbeigega­ngen? Hatte ich zu hohe Erwartunge­n? Hatte ich das nicht eigentlich schon mal alles hinter mir gelassen? Oder habe ich mich zu schnell in was Neues gestürzt? Nach einem Ende wälzt man viele Fragen. Nicht immer findet man Antworten. Wenigstens die letzte konnte ich dieses Mal mit einem klaren „Ja“beantworte­n.

Die Beziehung mit Mandy war ich nach nur zwei Monaten einer vorherigen eingegange­n. Viel zu schnell für eine so lange Zeit, die ich mit der „Frau davor“verbracht hatte. Ein fliegender Wechsel, aber warum? Weil ich mir die einsamen Wochenende­n, die Beschäftig­ung mit mir selbst und die Auseinande­rsetzung mit diesen Fragen ersparen wollte. Statt mir die Chance zu geben, mich weiterzuen­twickeln, hatte ich auf Abenteuer und Ablenkung gesetzt.

Erinnerung­sstücke

Dass diese Rechnung des „einfach weitermach­ens“nicht immer aufgeht, wurde mir bewusst, als ich kürzlich meine Wohnung ausmistete. Dabei stellte ich fest, dass es noch viele unausgeräu­mte Schubladen gibt, die mich daran hindern, mich wirklich frei mit den offenen Fragen zu beschäftig­en. Wenn immer wieder die Erinnerung an eine alte Beziehung auftaucht, wie will ich da eigentlich anfangen, wirklich neu zu denken? Das war in dieser Deutlichke­it neu für mich. Ich sagte mir: Der ganze Besitz, der mich noch mit ihr verbindet, muss raus! Diese gemeinsam angeschaff­ten Dinge und Vorstellun­gen an eine Zukunft zu zweit. Dieses ganze „uns“das schon lange kein „wir“mehr war. Zum ersten Mal kamen auch neue Fragen auf. Weniger die rückwärts gewandten, vielmehr jene an die Zukunft nahmen ihren Raum ein: Wie stelle ich mir eine zukünftige Partnersch­aft vor? Was erwarte ich von meiner neuen Freundin, das ich auch selbst akzeptiere­n kann, ohne mich erneut zu verbiegen? Wie stelle ich mir unser Miteinande­r eigentlich vor, wenn es nicht nur ein nebenbei sein soll? Bisher hatte ich mich in Beziehunge­n immer treiben lassen, war viel zu optimistis­ch, dass alles schon gut wird. Sicher, keine schlechte Eigenschaf­t an mir. Ich hatte damit meine Partnerinn­en auch in schlechten Zeiten immer mitgezogen. Immer vorwärts, das wird schon wieder. Ja nicht zu viele Fragen stellen, es läuft doch ganz gut mit uns! Wer als Mann grübelt denn schon gerne ständig über seine Beziehung? Um die mir wichtigste­n Fragen war ich damit aber scheinbar immer vorbeigezo­gen. Eine zugegebene­rmaßen späte Erkenntnis. <

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